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Pianist auf Gut
Böckel gefeiert

Der Flügel wurde schon am Samstag vom Haferhaus in den Kuhstall gebracht: schwere Arbeit für Christian Stühlmeyer und Hagen Wittenbrock. Der kleine Mark sieht interessiert zu. Foto: Jörn Petring

Russischer Sommer mit der NWD

Von Marold Osterkamp
Rödinghausen-Bieren/Bünde (BZ). Der stille Star stand abseits. Den Trubel um seine Person mag der Pianist Martin Stadtfeld, der schon als neuer Glen Gould gefeiert wird, eigentlich gar nicht. Am wohlsten fühlt sich der 26-Jährige auf der Konzertbühne.

Nach dem sonnigen Auftakt am Freitag zeigte sich der russische Sommer auf Gut Böckel am Sonntag von seiner wechselhaften Seite. Auf Gewitter, Sturm und Platzregen folgten sonnige und warme Abschnitte.
Ausverkauft war das Orchestterkonzert im historischen Kuhstall schon seit langem, in diesem Jahr spielte wieder einmal die Nordwestdeutsche Philharmonie, diesmal geleitet von ihrem ständigen Gastdirigenten Frank Beermann, der das Orchester auch in den kommenden Monaten häufig dirigieren wird.
Wie immer begrüßte Hausherr Dr. Ernst Leffers das Publikum aus der gesamten Region auf dem schön restaurierten Gut im Namen der Familie, bevor Richard Wagners Ouvertüre »Der fliegende Holländer« den Abend eröffnete. Ein lauter Auftakt, in dem das Orchester seinen Rhythmus fand - etwas problematisch in dem niedrigen Raum, aber am Ende gut gelöst. Ein Beginn, der schon die Qualitäten des Ensembles zeigte.
Martin Stadtfeld ist beim Orchester beliebt - ein unkomplizierter Star, einer der wirklich großen jungen Pianisten, der in seiner Karriere schon viele Preise gewonnen hat und in seiner kleinen Zugabe zeigte, wie großartig er wirklich ist. In »Nun freu Dich liebe Christenheit«, die Bearbeitung eines Bach-Werks von Busoni für das Klavier, bewies er seine enorme Virtuosität, gepaart mit einem Stilgefühl, das atemberaubend ist. »Bach pur« heißt seine CD, und der Titel trifft es.
Mit dem Orchester spielte er das berühmte Klavierkonzert Nr. 2 von Sergej Rachmaninow, sein wohl bekanntestes Klavierkonzert mit vielen einprägsamen Melodien, leicht und schwärmerisch und vom Pianisten zügig und mit Brillanz interpretiert.
Bravo-Rufe für den Pianisten und das Orchester entließen die 750 Gäste, darunter Bürgermeister und Regierungspräsidentin, in die Pause, den schönen Park und zum Gourmet-Service im alten Kornhaus. Sogar die Sonne schien noch ein Weilchen.
Nach einem Trompetensignal demonstrierte das Orchester, das es zu den führenden im Lande zählt. Mit viel Verve dirigierte der junge Dirigent Frank Beermann, der in der Region lebt und auf Gut Holzhausen selbst Konzerte veranstaltet, Stravinskys Ballett-Suite »Der Feuervogel« in der Fassung von 1919.
Stravinskys wohl erfolgreichstes Stück lebt von der großen Geste, den hymnischen Melodien und der stilistischen Vielfalt. Dem Orchester ermöglicht die Komposition, die einzelnen Instrumentalgruppen herauszustellen. Druckvoll und zügig dirigierte Beermann. Stehende Ovationen am Ende und zwei Zugaben beendeten den Abend. Nach Tschaikowsky folgte noch Brahms' Ungarischer Tanz Nr. 5. Wer beide Konzerte des russischen Sommers erlebte, hörte diese Komposition in zwei Fassungen, denn auch die Cellisten aus Petersburg wählten den Tanz als Zugabe.
Das ZDF drehte an diesem Abend auf Gut Böckel einen Film zum Thema »Lächeln«. An Bildmotiven hätte nach dem Konzert sicher kein Mangel geherrscht.

Artikel vom 22.08.2006