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Überzeugend überzogene Szenen begeistern

Kulturwoche: Kabarettprogramm »Nächsten-Hiebe« beschert Publikum 20 urkomische Einakter

Versmold (mh). So überzeugend überzogene Szenen wie am Freitag in der Galerie et hat man selten bei einem Kabarettabend erlebt. 20 kurios-komische »Einakter« brachten die Schauspieler Corinne Walter und Frank Zollner in ihrem Programm »Nächsten-Hiebe« auf die Bühne.

Der Versmolder Kunstkreis hatte das »Kabarett von A-Z« zu seiner 26. Kulturwoche eingeladen. »In Versmold gibt es viel Musik und Theater, aber kaum Kabarett«, sagte Vorsitzende Ulrike Poetter. Schon mindestens zum zehnten Mal in Folge habe der Verein deshalb Kleinkunst in die Galerie geholt. Der Raum war voll besetzt.
Wie der Titel des Programms schon verrät, ging es diesmal um Beziehungen aller Art: Ehemann und Ehefrau, Greisin und Greis, Zahnärztin und Patient, Vater und Tochter, Schauspieler und Souffleuse, Chansonette und Gitarrist, Psychologin und ihr Ehemann - und die beiden »Synchronstöhner«, bei denen die Trennung von Beruf- und Privatleben so deutlich wurde wie nie: Im Synchronstudio arbeiteten Mann und Frau in höchsten Tönen an einem offensichtlich tabulosen Machwerk nicht jugendfreier Filmkunst zusammen - und in den Pausen wurden sie mit einem Schlag zu harmlosesten Erdenbürgern, die sich schüchtern näher kamen.
Alle paar Minuten schlüpften die beiden Schauspieler in völlig andere Figuren, errichteten mit Hilfe weniger Requisiten, nur vom Zwischenbeifall unterbrochen, in Windeseile neue Szenerien und nahmen ihre Zuschauer, die sie von Beginn an ansprachen und in das Geschehen einbanden, in die völlig absurden und oft skurrilen Situationen mit hinein.
Die kleinen Stücke, die Corinne Walter und Frank Zollner mit Regisseur Jochen Nötzelmann geschrieben und erarbeitet haben, borden über von Ideen: Sei es der Streit um die verstorbene Oma, die, in ihre Einzelteile zerlegt, zum Sparen der Beerdigungskosten für Unikliniken und »Körperwelten«-Ausstellungen verscherbelt wird, oder die problematische Kommunikation zwischen dem »ersten Mimen des Theaters« und seiner Souffleuse, die mit übertriebenen Eigenheiten, aufgeplusterten Leerformeln in den Texten und großer Vergesslichkeit zu kämpfen haben. Wortspiele, Gesang, mitreißende Lautmalereien und Sprechgesang gehörten zum umfangreichen Repertoire der Darstellungsarten der beiden Kölner Schauspieler.
Vielleicht hätte bei all den unfassbaren Geständnissen und unglaublichen Geschichten der dargestellten Personen die Reaktion der jeweils anderen seltener so normal überrumpelt, vielleicht besser ironisch, gleichgültig, tragisch oder gar begeistert sein sollen, um die gegebene Absurdität noch zu erhöhen - nichtsdestotrotz erlebten die Besucher ein abwechslungsreiches und spannendes Programm. Denn durch ein stets durchschimmerndes Fünkchen Wahrheit und vor allem durch die herrliche Schauspielkunst erfuhren die Zuschauer einen ständigen Wiedererkennungseffekt, der immer wieder echte Komik aus den dramaturgisch ansonsten belanglosen Szenen lockte. Oder wie es eine begeisterte Zuschauerin ausdrückte: »So ganz unrecht haben sie ja nicht. So manches davon könnte bald schon Realität sein.«

Artikel vom 21.08.2006