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Den Blick auf Webstuhl und Spinnräder in einem alten Fachwerkhauses eröffnet diese Arbeit.

Überfall auf Herford
im Schaukasten

Zinnfigurensammler stellen Stadtgeschichte nach


Von Peter Schelberg
Herford (HK). In kleinen Dioramen lassen sie die Herforder Stadtgeschichte wieder lebendig werden: Seit fast 30 Jahren besteht die Gruppe der Zinnfigurensammler im Widukindsland, die jetzt den Überfall auf Herford am 20. August 1647 mit einer Szene am Steintor im Schaukasten nachempfunden haben. »Im Auftrag des Großen Kurfürsten von Brandenburg wurde die Stadt damals frühmorgens überrumpelt und durch einen Handstreich besetzt«, ruft Vorsitzender Gert Trautmann das Geschehen in Erinnerung. Das Diorama mit originalgetreuen Darstellungen, fein ziselierten und liebevoll bemalten Zinnfiguren zeigt den Moment, als der Torwächter vor dem Brückenhaus überwältigt wird und feindliche Soldaten durchs offene Stadttor hineinströmen.
Den Anstoß zur Anfertigung der Dioramen gab den Zinnfiguren-Freunden eine Stadtführung: »Bei der Themensuche haben uns Stadtführer Matthias Polster und Christoph Laue vom Kommunalarchiv tatkräftig unterstützt«, berichtet Trautmann. Nachdem das Thema feststand, begann die Suche nach Vorlagen in Bibliotheken, Bildbänden oder Privat-Archiven. Zinnfiguren erhalten die Mitglieder als Rohlinge, Standardgröße sind drei Zentimeter: »Die werden mit einem Skalpell entgratet und grundiert, dann können wir mit dem Bemalen beginnen - mit Öl- oder Acrylfarben, auch Wasserfarben sind möglich.«
Möglichst genau am historischen Vorbild orientiert müssen geeignete Flachfiguren bearbeitet werden. Als kämpfender Ritter im Kettenhemd, Fahnenträger, Wachsoldat, Landskecht oder Marktfrau werden diese dann im Schaukasten platziert. »Um eine Figur zu bemalen, muss man etwa drei Stunden rechnen«, so Trautmann. Klar, dass dabei eine ruhige Hand unerlässlich ist: »Deshalb darf man am Abend vorher auf keinen Fall ausgiebig feiern«, schmunzelt der Vorsitzende. Dem Original möglichst nahe kommen sollen auch Hintergrundbemalung und Gebäudemodelle: Täuschend echt wirken da winzige Teekrümel, die - auf Papp-Mauern aufgeklebt - wuchernden Efeu ersetzen.
Die angestrebte »Authentizität« sorgt gelegentlich für Verdruss. Als Trautmann das Modell der Steintorbrücke nach vielstündiger Arbeit fertiggestellt hatte, wurde er »belehrt«, dass deren Vorderteil ursprünglich als hölzerne Zugbrücke ausgebildet war: »Da musste ich diesen Abschnitt wohl oder übel wieder heraussägen und ganz neu modellieren...«
Die Sammler könnten sich vorstellen, mit ihren Dioramen im geplanten Museum am Münster bedeutsame Geschehnisse aus der Stadtgeschichte zu veranschaulichen. Die 15 Mitglieder treffen sich einmal im Monat jeweils am ersten Samstag um 15 Uhr im Café Jach am Gänsemarkt.

Artikel vom 16.08.2006