16.08.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

»Blindporträts«
auf Kohlepapier

Timo Pitkämö Gast im Kunstverein

Von Manfred Stienecke
(Text und Foto)
Paderborn (WV). Verrutschte Ansätze, verzerrte Proportionen, verschobene Perspektiven - bei Künstler Timo Pitkämö unvermeidbar. Der neue Gast des Paderborner Kunstvereins bevorzugt nämlich die »Blindzeichnung«.

Seine Porträts wirken, als hätten die Modelle vor dem Zerrspiegel gesessen. Die Augen liegen nicht auf einer Linie, der Mundwinkel hängt schief, die buschigen Augenbrauen wachsen aus dem Nichts heraus. Und doch ist das Charakteristische der gezeichneten Personen nicht nur kenntlich, sondern sogar irgendwie betont. Was auf den ersten Blick den Anschein einer bewusst pointierten Karikatur erweckt, ist das Ergebnis einer ungewöhnlichen Zeichenmethode.
Timo Pitkämö - eigentlich heißt er Timo Knöpper, als Künstler hat er den Mädchennamen seiner finnischen Mutter angenommen - fertigt seine Zeichnungen mit Hilfe von Kohlepapier an, das er auf den Zeichenkarton legt. Mit einem Kugelschreiber führt er dann auf der Rückseite seine Handschwünge aus - ohne eine direkte Kontrolle des Ergebnisses. Erst nach Fertigstellung des Motivs sieht er, was er gezeichnet hat. »Dabei entsteht natürlich viel Ausschuss, aber ich werfe nichts weg«, erklärt der 33-Jährige, der in Paderborn zur Schule gegangen ist und heute in Hamburg wohnt. Sein damaliger Kunstlehrer am Goerdeler-Gymnasium, Thomas Weißenborn, wird heute bei der Eröffnung seiner Ausstellung im Adam-und-Eva-Haus (19 Uhr) auch die Einführung halten. Heute kann er stolz auf seinen früheren Schüler sein, auch wenn der damals in der Oberstufe das Fach Kunst abgewählt hatte...
Nach einem Studium der Fächer Biologie und Englisch hat sich Knöpper 1997 auf die Weimarer Bauhaus-Universität beworben und ein Kunststudium angeschlossen. Von seiner enormen Experimentierfreudigkeit zeugt bereits sein Examensprojekt: Um die Wirkung von Kunst zu testen, warf Knöpper anonym im Abstand von drei Wochen drei verschiedene Originaldrucke in die Briefkästen von 150 Weimarer Familien. Anschließend lud er alle Adressaten zu seiner Examensprüfung ein. »Gekommen ist niemand«, erinnert sich der diplomierte Künstler.
Heute kann er von seiner Tätigkeit als freischaffender Künstler sogar - wenn auch in bescheidenem Rahmen - leben. Bei Messen, auf Partys oder anderen Kulturveranstaltungen »zeichnet« er mit Hilfe von brennenden Wunderkerzen Porträts der Besucher aufs Papier. »Das läuft gut.«
Seine Ausstellung »Timo Pitkämö - Zeichnung« ist bis zum 1. Oktober im Kunstverein (Adam-und-Eva-Haus) zu sehen.

Artikel vom 16.08.2006