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Der Mensch im Fokus der Kamera

Kunstverein zeigt im Veerhoffhaus Fotografien von Romualdas Pozerskis

Gütersloh (joz). Zu jeder einzelnen der 60 Schwarzweißfotografien von Romualdas Pozerskis, die unter dem Titel »Menschenbilder« im Veerhoffhaus von heute an bis zum 17. September ausgestellt sein werden, könnten einem ganze Geschichten zu ländlichen Lebenszusammenhängen Litauens einfallen.

Heute Abend um 19 Uhr wird die Ausstellung in Anwesenheit des Künstlers und mit einer Einführungsrede von Ansgar Wimmer feierlich eröffnet.
Nicht künstlich erdachte Szenen mit konstruiert ausgeklügelten Gruppierungen oder nach Effekten haschenden Posen finden sich in Pozerskis Motiven. Die in acht Serien aufgeteilten, von 1974 bis 2005 entstandenen Fotografien wollen auch weder spektakulär noch sensationell auffallen. Nicht mit einer politischen oder gesellschaftskritischen Botschaft oder gar einer avantgardistischen Selbstgefälligkeit behaftet, steht in ihnen schlicht und ergreifend der Mensch im Mittelpunkt.
Auch der Kleinwüchsige namens Alfons - ein naher Freund des Fotografen - stellt in der Serie »Freud und Leid des kleinen Alfons« (1992-2005) nicht das Besondere im Sinne des sich Absondernden dar, sondern das menschlich sich Integrierende. So erscheint der Zwergenhafte durch seine aufrechte Haltung gegenüber einem Pferd aus seiner Innerlichkeit heraus groß. Mit anderen Landtieren wie dem Schwein, der Ziege oder dem Kalb spielt nicht sein Kleinsein, sondern sein natürliches Eingebundensein die Hauptrolle. Selbst das die Silhouetten des kleinen Mannes und der auffallend gut aussehenden jungen Dame vor dem hellen Himmel hervorhebende Bild - die beiden gehen Hand in Hand einen Strand entlang - könnte in seiner geheimnisvollen Stimmigkeit durch kein Zweites ersetzt werden.
In »Pilgerreisen« (1974-1994) kommt sowohl die katholische Gläubigkeit der sonntäglich gekleideten Kirchgänger als auch ihre gleichzeitige Beziehung zur elementaren Naturumgebung zum Ausdruck. Die Mimik der Gesichter alter Männer, Frauen und Kinder reicht vom Geprüftsein durch die Härten des Lebens über eine immer wieder aufblitzende, von Herbheit gezeichnete Freundlichkeit bis zur völlig naiven Unverstelltheit.
»Letztes Zuhause« (1983-1990) und »Gärten der Erinnerung« (1977-2004) handeln von Alten- und Pflegeheimen sowie Friedhöfen. Knaben, die sich an Friedhofskreuzen aus Stein in sehr natürlicher Art und Weise aufhalten oder ein älterer Mann, der sich neben einem Grab ein Schläfchen gönnt, vermitteln eine das Sterben und den Tod nicht verdrängende Mentalität. In »Litauens Weg zur Unabhängigkeit« (1988-1992), »Kinderkrankenhaus« (1976-1982), »Litauische Altstadtansichten« (1974-1982) und »Siege und Niederlagen« (1974-1976) findet sich neben des Fotografen außerordentlich gekonnter kompositorischer Beachtung der Vorder- und Hintergründe wie der Bildmitten und stimmungsvollen Wirkungen von Licht und Schatten vor allem eines: Die abgelichteten Personen wirken so natürlich und authentisch, als hätten sie denjenigen, der sie mit einem Schnappschuss aufnahm, wirklich nicht bemerkt.

Artikel vom 17.08.2006