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Richtfest und Anfang vom Ende

Landrätin Lieselore Curländer überreicht Kreis-Kulturpreis an Frank Bölter

Von Marold Osterkamp (Text)
und Jörn Petring (Fotos)
Bünde (BZ). Wellpappe ist vergänglich, doch das Material reizt den Aktionskünstler. Frank Bölter, der auch schon Papierschiffe fahren ließ, hat den Kreis-Kulturpreis 2005/2006 mit einem Projekt gewonnen, das viele erstaunt und manche überrascht hat. Die Jury hat seinem Entwurf vertraut, und der Künstler hat sie nicht enttäuscht.

Misstrauisch waren die Nachbarn und die Menschen, die sich im Baugebiet Osteresch/Herzgrund gerade ihren Traum vom steinernen Eigenheim erfüllen, doch in der abschließenden zweiwöchigen Bauphase sahen sie, dass Frank Bölter es ernst meint und auch weiß, wie ein Haus gebaut wird. Das Wetter war ihm nicht immer hold. Erst Sonne, dann Regen - das mag die Pappe eigentlich gar nicht, doch zum »Richtfest« am Samstag stand das Haus groß und mächtig da.
Viele Menschen waren gekommen, um es zu bewundern und dabei zu sein, wenn Landrätin Lieselore Curländer ihm die Preisurkunde überreichen würde.
Bölter, der aus Lippstadt stammt, in Münster studiert hat und in Köln lebt, dankte den vielen Helfern, die ihm beim Bau tatkräftig unterstützt haben - meist Kinder und Jugendliche, denn sie haben das Haus gleich für sich erobert, und sie sind es auch, die mit dem Haus noch einige Zeit Spaß haben werden. Das Kunstwerk als Abenteuerspielplatz - Besseres kann sich der Künstler für sein Objekt nicht wünschen.
»Es ist gut, dass es den Kulturförderpreis des Kreises gibt«, sagte Landrätin Lieselore Curländer, dankte der Jury, der Firma »Wellcarton« (Schöneberg), die das Material zur Verfügung gestellt hat, und der Bünder B&S (Bau- und Siedlungsgenossenschaft), in deren Baugebiet das Haus einen (vorübergehenden) Platz fand.
»Prallen nicht zwei Welten aufeinander?«, habe sich die Jury bei der Aufgabenstellung »Kunst trifft Industrie« gefragt, erläuterte Laudator Michael Freiburger (Enger). Sind Kollektiv und Einzelgänger nicht wie Feuer und Wasser? Offenbar nicht, denn so viele Einsendungen für den mit 5000 Euro dotierten Preis gab es noch nie. Ursprünglich als regionaler Kunstpreis initiiert, habe er inzwischen überregionale Bedeutung erhalten. Die Jury bemühe sich stets, bei der Ausschreibung neue Wege zu gehen und habe es schwer, müsse sie doch anhand der Entwürfe und der Präsentation durch den Künstler entscheiden.
Befriedigt kann sie nun auf das Ergebnis blicken. Die Löhner Firma »Wellcarton« hat dafür sogar einen Funktionsstein aus Pappe entwickelt, der sich fast fugenlos ineinanderfügt. Auch für das Unternehmen brachte die Entwicklung des Hauses eine außergewöhnliche und neue Erfahrung, wie Sieghard Schöneberg in seinem Grußwort betonte.
Wie es sich für ein Richtfest gehört, wurde anschließend mit Musik (»Marimbistix« aus Enger), Bratwurst, Kuchen und Getränken gefeiert und die Vergänglichkeit allen Irdischen erst einmal hinten angestellt. »Savoir Vivre« nennt der Künstler sein Haus ein wenig ironisch und die feine Lebensart, sie wurde zelebriert und genossen - selbst die Sonne schien.
Pappe als Objekt der Kunst ist im Kreis nicht ganz unbekannt. Für den großen Aktionskünstler Wolf Vostell war sie ein Material, das er immer wieder gerne nutzte. Vor vielen Jahren schuf er für die Firma »Wellcarton« eine Arbeit aus Pappe, die er »Auto Beton Brunnen« nannte, ein Cadillac aus Pappe. Auch damals, in den achtziger Jahren, traf Kunst auf Industrie. Bölter schließt daran an. Sein Haus wird die Menschen im Herzgrund begleiten und sicher für weiteren Gesprächsstoff sorgen.

Artikel vom 14.08.2006