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Bräuche, Ideale und der Alltag

Paderborner Studenten klären auf

Von Viktoria Fischer (Text und Foto)
Paderborn (WV). Eine besondere Erfahrung für die berufliche Zukunft machten sechs Studenten der Universität Paderborn, als sie sich im vergangenen Jahr bereit erklärten, am Ausstellungsprojekt »Schlagfertig! Studentenverbindungen im Kaiserreich« mitzuwirken.

»Dass wir an der Ausstellung im Westfälischen Freilichtmuseum in Detmold überhaupt mitarbeiten konnten, war purer Zufall«, erklärt die Studentin Wiebke Abel, die wie ihre Kommilitonen Neueste Geschichte an der Uni Paderborn studiert. Eigentlich betreuten die künftigen Akademiker Wiebke Abel, Ulrike Claßen, René Kwee, Sabrina Lausen und Jens Rüße ein Projekt in der Canossa-Ausstellung, das sich ebenfalls mit Studentenverbindungen beschäftigte und suchten dafür noch Ausstellungsobjekte. Als sie dann erfuhren, dass das Freilichtmuseum in Detmold zahlreiche Studentica-Artikel aus der Privatsammlung des verstorbenen Detmolders Ewald Lutz besaß, klopfte das Herz der sechs Studenten und ihres Projektleiters Dr. Rainer Pöppinghege gleich etwas schneller. Nachdem die Gegenstände besichtigt worden waren und das Freilichtmuseum die Idee aufwarf, gemeinsam mit der Hochschule eine Ausstellung auf die Beine zu stellen, war der Grundstein gelegt.
In dieser Studioausstellung steht die Geschlechter- und Kulturgeschichte mehr im Vordergrund als die politische Ideologie. Sie vermittelt anhand von Gegenständen wie Degen, Band und Texttafeln alles Wissenswerte über die damaligen Bräuche, Ideale und den Alltag der Studentenbrüder. »Auf gut 60 Quadratmetern entstand eine Präsentation, die nicht nach neuen Erkenntnissen forscht, sondern das vorhandene Wissen objektiv darstellen soll«, erläutert Student René Kwee. Er, selbst Verbindungsmitglied in Marburg, kennt die zahlreichen Klischees über Studentenverbindungen und möchte nun mit den Vorurteilen, die durch Unwissen enstanden sind und bis heute noch bestehen, aufräumen.
Dass diese Thematik einen großen Teil der Bevölkerung interessiert, machen die heftigen Reaktionen der Öffentlichkeit deutlich. Fragen wie »Warum wird sowas gezeigt?« oder »Wieso befassen Sie sich mit Studentenverbindungen, die waren doch alle reaktionär?« kamen von vielen Menschen, die die Burschenschaften noch immer als eine Art »Geheimbund« sehen. Anders war es bei den Akademikern, Verbindungsbrüdern und Ehemaligen, auch »Alte Herren« genannt, die besondere Ansprüche hatten und hilfreich bei der Ergänzung von Objekten waren.
Für sie zählten vor allem der Freundschaftsbund auf Lebenszeit und die reglementierenden Elemente wie Disziplin, die die Erziehung der Burschen zu ehrenwerten Männern ausmachten.
Aber auch über die jüdischen und katholischen Verbindungen, die in der Vergangenheit als »Außenseiter« fungierten, wird berichtet. »Es soll kein romantisches Klischee bedient, sondern mit Substanz und Hintergrundwissen die Zeit von 1818 bis 1914 durchleutet werden«, erklärt Museumsleiter Dr. Jan Carstensen.
»Das Ergebnis ist sehr präsentabel, die Kooperation verlief vorbildlich und die Studenten konnten für ihr zukünftiges Berufsleben Praxiserfahrung sammeln«, freut sich Dr. Pöppinghege, Privatdozent an der Uni Paderborn.
Die gestern eröffnete Ausstellung kann noch bis zum 31. Oktober im Westfälischen Freilichtmuseum in Detmold besichtigt werden. An sechs festgelegten Terminen stehen die mitwirkenden Studenten für Fragen und Antworten zur Verfügung.

Artikel vom 16.08.2006