12.08.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Ein Schrotthaufen wird zum Juwel

Beruf zum Hobby gemacht -ĂŠEdmund Klinke restauriert Oldtimer aus aller Welt

Von Manfred Köhler
Verl-Sürenheide (WB). Oft sind es wahre Schrotthaufen, die in die Werkstatt von Karosseriemeister Edmund Klinke gehievt werden. Doch wo andere nur Rost, Schmutz und altes Blech entdecken, sieht der 73-jährige Kenner schon den Glanz eines echten automobilen Juwels.

Bis es aber wieder in seinem Chrom und Lack neu erstrahlt und ein prächtiger Oldtimer durchs Tor auf die Straße rollt, vergehen nicht selten zwei Jahre. »Es gibt so gut wie keine Teile für die alten Autos, wir schneidern die Karosserien selber«, gibt Meister Klinke einen Einblick und fügt lächelnd hinzu: »Unser Universalersatzteil ist ein ein Meter mal zwei Meter großes Blech.« Es gibt auch meist keine Zeichnungen mehr und so müssen Edmund Klinke, sein Sohn Ludger (43) und die Mitarbeiter Sascha Ecks und Andreas Stein auf Fotos und auf den großen Erfahrungsschatz des 73-Jährigen zurückgreifen. Und der ist unbezahlbar. Denn was heute als Oldtimer-Restauration gilt, ist für den gelernten Stellmacher und Karosseriebauer früher ganz normaler Reparaturalltag gewesen. »Ich habe immer mit diesen Autos zu tun gehabt«, erzählt er. Vor allem mit den Automobilen mit dem Stern: »Mercedes ist meine große Leidenschaft«, gesteht er. Gerade erst hat er ein weinrotes Mercedes Benz A Cabrio fertig gemacht und schwärmt: »Ein wunderschönes Auto.« Nicht weniger schön wird der Mercedes 500 K sein, wenn er irgendwann mal fertig wird. Zurzeit macht die Karosserie vor allem als Holzskelett auf sich aufmerksam, zwischen riesigen geschwungenen Kotflügeln thront wuchtig ein tonnenschwerer Motor. Was jetzt eher noch wie ein abstraktes Technikkunstwerk anmutet, rollt am Ende jahrelanger aufwendiger Handarbeit als ein eine Million Euro teures Liebhaberstück aus der Lackiererei.
Exklusive Stücke gehören zum Alltag in der Sürenheider Spezialwerkstatt, die zur Creme der Branche in ganz Deutschland zählt. Gut betuchte Liebhaber von automobilen Raritäten aus dem In- und Ausland schauen gerne herein, um sich von Edmund und Ludger Klinke und ihrem Team einen Traum erfüllen zu lassen. Ein solcher Traum ist der Mercedes Benz SS von 1933, den Edmund Klinke für einen Bielefelder Kunden aufwendig restauriert hat. In Essen bekam der Sportwagen auf der Techno Classica einen Preis und schmückt als Hingucker sogar Kalenderblätter. Nur zwei Exemplare gibt es von diesem Typ noch auf der Welt.
Wie gefragt die Sürenheider Werkstatt in der Oldtimerszene ist, wurde auch bei der Feier anlässlich des 65-jährigen Bestehens des Nürburgrings deutlich: Allein sieben der 13 alten Mercedes-Sportwagen, die zum Jubiläum rollten, stammten aus Edmund Klinkes Werkstatt.
Zurzeit hat das Klinke-Team 14 Oldtimer in Arbeit. Etwas abseits vom alltäglichen Treiben schläft auch ein besonderes Stück: der Traum von Edmund Klinke - ein Mercedes 170 A Cabrio von 1951. »Hat nur 40 PS, zieht keinen Hering vom Teller«, schmunzelt Edmund Klinke und seufzt: »Aber diese Scheinwerfer . . . ! Direkt neben dem Kühlergrill - das macht ein Auto schön.« Ob dieses Auto aber noch jemals so richtig schön wird, ist fraglich. Vor 20 Jahren hat Edmund Klinke den »Schrotthaufen« gekauft, um das Cabrio für sich selber fertigzumachen. »Keine Zeit«, lacht er. Dabei ist er schon seit acht Jahren Rentner. Doch irgendwie ist der Ruhestand nicht in Sicht. Edmund Klinke kann's nicht lassen, sein Herz hängt zu sehr an alten Autos und auch an Kutschen, die er in einem Nebenraum restauriert und mit denen eigentlich alles anfing.
»Ich wollte schon als Junge Stellmacher werden«, erinnert er sich an seine Kindheit in Schlesien. Nach der Vertreibung ging sein Wunsch in Wiedenbrück in Erfüllung, wo er bei Hartwig und Sasse am Gänsemarkt mit »Sehr gut« seine Lehre absolvierte. 1953 begann er bei Fahrzeug Kramer an der Avenwedder Straße als Stellmacher. Und da er gut schweißen konnte, hatte ihn sein Meister schnell für den Karosseriebau gewonnen.
Bereits 1956 legte Edmund Klinke seine Meister- und Technikerprüfung ab. Da war er 23 Jahre alt. Neun Jahre später machte er sich in Bochum selbständig. »Seitdem mache ich, was ich heute immer noch mache. Mein Beruf hat sich nicht geändert, die Autos auch nicht«, schmunzelt Edmund Klinke.

Artikel vom 12.08.2006