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Jede Menge Eindrücke aus Mount Vernon

Caroline Obermeyer hat ein Jahr in den USA gelebt, drei Berufe gehabt und viel gesehen

Von Thomas Hochstätter
Bad Oeynhausen (WB). »Meine Güte, sind die Leute hier unfreundlich!« Caroline Obermeyer (23) aus Eidinghausen verarbeitet gerade den Kulturschock ihres Lebens. Sie hat ein Jahr in den USA gelebt.

Arbeit am Bankschalter, für ein Straßenkinderprojekt und beim Lokalradio; Reisen nach San Francisco, Los Angeles, Las Vegas und Hawaii - was in den zurückliegenden zwölf Monaten an Eindrücken auf Caroline Obermeyer eingestürzt ist, reicht bei manch anderem für ein halbes Leben. Entsprechend sprudelt sie beim gestrigen Pressegespräch geradezu über vor kleinen Anekdoten, großen Geschichten und immer wieder Kulturvergleichen. Die in den Staaten allgegenwärtige Freundlichkeit vermisst sie schon nach wenigen Tagen zurück in Ostwestfalen: »Da heißt es alle paar Sätze ÝBitteÜ, ÝDankeÜ und ÝEntschuldigungÜ«, erzählt sie. »Hier laufen die Leute dagegen mit einem Miesepetergesicht durch die Gegend und sind so muffelig.«
Das seit 1983 bestehende Parlamentarische Patenschafts-Programm (PPP), ein Gemeinschaftsprojekt von Bundestag und US-Kongress, hat der Eidinghausenerin mit Vorbereitung, Flug und Unterkunft in einer Gastfamilie den Start ermöglicht. Dass der Aufenthalt in Mount Vernon unweit von Seattle so erlebnisreich wurde, dafür hat die junge Frau allerdings selbst gesorgt. Sie hat sich um die Jobs gekümmert, ihre mit dem verdienten Geld selbst finanzierten Reisen organisiert und am Ende als Haussitter mehrere Wochen auf die Wohnung eines deutschen Ehepaars samt Katze aufgepasst. Ergebnis war das, was ihr Austauschpate, SPD-Bundestagsabgeordneter Wolfgang Spanier aus Herford in den vergangenen zwölf Jahren schon bei so vielen Schülern und jungen Berufstätigen festgestellt hat: »Ein Entwicklungsschub, verbunden mit einer immensen Horizonterweiterung.«
Das äußert sich zum Beispiel darin, dass Caroline Obermeyer in viel größeren Zusammenhängen denkt: Wenn eine Bekannte vom USA-Aufenthalt gerade in London weilt, dann ist das neuerdings wie mal eben um die Ecke. Also wird der Anschlussflug organisiert und ein Treffen vereinbart. Auch Saarbrücken oder Düsseldorf, die Standorte einer anderen Freundin: alles irgendwie ganz nah. »Die Amerikaner finden es lustig, dass unser ganzes Land bloß so groß wie ihr Bundesstaat Idaho und man in zehn Stunden durchgefahren ist.« Und es präge nun wohl, dies immer und immer wieder gehört zu haben.
Obwohl sie nun in so viele verschiedene Berufe reingeschnuppert hat, ist die gelernte Bankkauffrau noch nicht sicher, wie die eigene Karriere weitergehen soll. Für den Traum vom Drive-In-Coffeeshop fehle ihr wohl doch das amerikanische Existenzgründergen, sagt Caroline Obermeyer. Also läuft es womöglich auf eine Stelle beim Auswärtigen Amt oder einen Medienjob hinauf. »Hauptsache, man kann es in Berlin studieren«, scherzt die Weitgereiste. Und deutsches Brot sollte es an ihrem Wohnort geben. Aber das ist ein anderes Thema.

Artikel vom 09.08.2006