12.08.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Unklarheiten früh beseitigen

Das private Baurecht und die allgemeinen Geschäftsbedingungen

Mit dem privaten Baurecht und den allgemeinen Geschäftsbedingungen setzt sich Rechtsanwalt Eckard Gläsker, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, in seinem Beitrag auseinander.

Vereinbarung der VOB
Seit Jahrzehnten ist es im privaten Baurecht üblich, die werkvertraglichen Vereinbarungen durch die Einbeziehung der Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB) zu ergänzen. In der Praxis hatten sich aber viele Variationsmöglichkeiten, insbesondere zur Gewährleistungszeit, Abnahme, Sicherheitseinbehalt, etc., ergeben, um diese Bestimmungen der VOB marktgerecht zu ergänzen. Nach der früheren ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes in Bausachen (BGH) konnte man durch solche Zusatzbestimmungen die Gültigkeit der VOB und deren Einbeziehung in den Werkvertrag stören. Der Gesetzgeber hatte insoweit bereits in den 70-er-Jahren ergänzend das Gesetz über allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB-Gesetz) erlassen. Daraus ergab sich ein Kontrollinstrumentarium, wenn einzelne vertraglich vereinbarte Formulierungen einen Vertragspartner unangemessen benachteiligten. Dieser so genannten Inhaltskontrolle nach dem AGB-Gesetz waren die Formulierungen der VOB grundsätzlich entzogen; andererseits waren die Bestimmungen dann doch wieder überprüfbar, wenn durch die Zusatzvereinbarungen in den Kernbereich der VOB so stark eingegriffen wurde, dass diese nicht mehr als Ganzes vereinbart war. Daraus ergaben sich in der Praxis vielfältige Schwierigkeiten, wann welche Zusatzbestimmungen die Gültigkeit der VOB untergrub und wann nicht?
Dieser Rechtsunsicherheit hat der BGH in seiner aktuellen Rechtsprechung ein Ende bereitet und festgestellt, dass jede inhaltliche Abweichung von der VOB als eine Störung des von ihr beabsichtigten Interessenausgleiches darstelle. Für diesen Fall ist dann also die VOB nicht mehr Gegenstand des Werkvertrages; der Vertrag zwischen den Geschäftspartnern stellt ein lückenhaftes Werk dar. Aus diesem Grunde empfiehlt es sich bei Abschluss von Bauverträgen dringend, vorab sich Klarheit darüber zu verschaffen, ob entweder die VOB als Ganzes vereinbart oder ein individuell ausgehandelter Werkvertrag geschlossen wird. Beides ist rechtlich möglich, kann und sollte allerdings nicht miteinander vermischt werden.

Preisgestaltungen
Immer wieder Anlass zu Rechtsstreitigkeiten geben nachträgliche Preisanpassungsverlangen. Vielfach üblich in der Baurechtspraxis ist die Vereinbarung einer Pauschalsumme für ein komplettes Bauwerk. Dabei muss es sich nicht immer um einen schlüsselfertigen Vertrag handeln, sondern die Leistungen des Bauunternehmers können auch vertraglich abgegrenzt werden. Das Gegenstück stellt der so genannte Einheitspreisvertrag dar, wo aufgrund eines ursprünglich gefertigten Leistungsverzeichnisses des Bauunternehmers oder des Architekten für überschlägig kalkulierte Bauleistungen Einzelpreise nach Massen (pro qm, lfdm., cbm/ etc.) vorgesehen werden.
Diese Einheitspreise im Vertrag werden später anhand eines Aufmasses des fertig gestellten Bauwerkes mit dem Endzustand verglichen. Sobald hier Massenveränderungen festzustellen sind, wandeln sich die ursprünglich vereinbarten Einheitspreise entweder nach oben oder nach unten ab. Streit entsteht dann, wenn die einzelnen Definitionen der Leistungspositionen lückenhaft sind und sich mit den tatsächlichen Erfordernissen am Bauvorhaben nicht decken. Dann ist es Frage der Auslegung, welche tatsächliche Bauleistung von dem vorformulierten ursprünglichen Leistungsverzeichnis umfasst ist oder nicht?
Hilfestellung geben insoweit allgemeine technische Vertragsbedingungen für Bauleistungen (ATV). Schließt ein privater Bauherr mit einem Unternehmer einen Bauvertrag, so gelten diese Abrechnungsregelungen der ATV nur dann, wenn diese bei den Vertragsverhandlungen in einer schriftlichen Ausfertigung vorgelegt werden oder dem Bauherren in zumutbarer Weise die Möglichkeit verschafft wird, diese persönlich einzusehen und sich außerdem ausdrücklich mit der Geltung dieser ATV einverstanden erklärt. Diese besonderen Bedingungen bei Vertragsschluss zwischen Unternehmer und Privatperson werden vielfach nicht eingehalten, so dass im Ergebnis diese technischen Abrechnungsregeln keine vertragliche Wirksamkeit entfalten und im eventuellen Streitfalle zwischen den Parteien letztendlich ein unabhängiger Sachverständiger durch Gutachten entscheiden muss.
Der private Auftraggeber (Bauherr) kann vom Unternehmer die Herabsetzung eines ursprünglich vereinbarten Pauschalpreises dann verlangen, wenn ihm ein Festhalten an der Pauschalsumme nicht zumutbar ist. Ein typischer Anwendungsfall dieser Regelung ist eine Abweichung von den vertraglich zu Grunde gelegten Mengen und Massen. Dabei können die Parteien des Vertrages ausdrücklich bestimmen, ab welcher prozentualen Abweichung ein Festhalten am vereinbarten Preis nicht mehr zumutbar ist, z.B. eine Vertragsklausel dahingehend, dass bei nachträglicher Feststellung der Mehr- und Mindermassen von mehr als 5 % ein neuer Preis zu vereinbaren ist. Liegt eine solche Vertragsklausel nicht vor, bleibt es in der Praxis sehr fraglich, ab wann diese Zumutbarkeitsgrenze überschritten ist? Keinesfalls kann man von einer pauschalen 10-%-Regelung ausgehen; es kommt auf die genaue Definition der Leistungsverzeichnisse und Leistungsinhalte an. Insoweit trägt grundsätzlich der Bauunternehmer das Risiko der Pauschalpreisvereinbarung. Er geht das Risiko ein, an den ursprünglich geringer vereinbarten Pauschalpreis gebunden zu bleiben mit Vorteil für den Auftraggeber (Bauherren).

Stundenlohn
Nur wenn nachträglich eine im Vertrag nicht vorgesehene Leistung gefordert wird, hat der Bauunternehmer Anspruch auf gesonderte Vergütung. Er muss jedoch diesen Anspruch auf gesonderte Vergütung dem Auftraggeber (Bauherren) vorher ankündigen, also bevor dieser mit seiner Bauleistung beginnt. Stundenlohnansprüche des Unternehmers bedürfen einer gesonderten Vereinbarung unter Einbeziehung der VOB und grundsätzlich des Nachweises unterschriebener Stundenzettel durch den Bauherren (Auftraggeber). Nach der ständigen, höchstrichterlichen Rechtsprechung ist der Unternehmer beweispflichtig für die tatsächlich angefallenen Stunden sowie deren Erforderlichkeit für die Erreichung des Bauzieles. Bestreitet der Bauherr die Erforderlichkeit, hat der Unternehmer nachzuweisen, dass diese Stunden im Rahmen einer wirtschaftlichen Betriebsführung tatsächlich erbracht wurden und einen vertretbaren Aufwand an Arbeitszeit darstellten.

Fälligkeit/Prüfung der Schlussrechnung
Eine Werklohnforderung des Bauunternehmers ist erst dann fällig, wenn die Bauleistungen abgenommen sind und in einer ordnungsgemäßen, nachprüfbaren Schlussrechnung vorgelegt werden. Wurde ein VOB-Bauvertrag geschlossen, ist zusätzlich eine 2-monatige Prüfungsfrist zu beachten, das heißt, also erst 2 Monate nach Zustellung der Schlussrechnung wird die Werklohnforderung fällig. Nach der früheren Rechtssprechung des BGH führte nur eine prüfbare Schlussrechnung von vornherein zur Fälligkeit der Werklohnforderung. Diese Rechtssprechung hat der BGH nun aufgegeben und überträgt auch dem Auftraggeber (Bauherren) das Risiko der Prüfung der Schlussrechnung. Werden vom Auftraggeber nicht binnen 2 Monaten nach Zugang der Schlussrechnung Einwendungen gegen deren Prüfbarkeit erhoben, gilt diese als anerkannt! Diese neuere Rechtssprechung ist Konsequenz aus der in den letzten Jahren erheblich nachlassenden Zahlungsmoral sowie Insolvenzrisiko für Bauunternehmer. Unter diesem Gesichtspunkt erscheint diese konsequente Rechtssprechung auch sachgerecht und nachvollziehbar. Bei schlüsselfertigen Wohnbauten gilt diese Regelung auch gegenüber dem Bauträger.

Sicherheitseinbehalt / Bankbürgschaften
Der Bauherr darf nach Abnahme des Gewerkes dann 5 % der Bausumme als Sicherheit einbehalten, wenn dieses vertraglich vereinbart ist. Der Bauunternehmer hat in der Regel ein wirtschaftliches Interesse daran, diesen Abzug von seiner Schlussrechnung zu vermeiden und übergibt dazu Gewährleistungsbürgschaften in Form einer selbstschuldnerischen, unbefristeten Bankbürgschaft. Im Regelfall kann der Bauunternehmer den bereits vollzogenen Sicherheitseinbehalt durch Überreichung einer Bankbürgschaft ablösen. Dieses Austauschrecht kann aber vertraglich beschränkt werden, so dass die Vertragspartner sich auch ausdrücklich nur auf Übergabe einer Bankbürgschaft beschränken können. Früher wurde dieses Austauschrecht gern vertraglich dadurch angereichert, indem man das Austauschrecht des Bauunternehmers bei Vorhandensein wesentlicher Baumängel ausschloss. Solche Vertragsklauseln hat der BGH nunmehr für unwirksam erklärt. Die Voraussetzung des Fehlens wesentlicher Mängel bedeutet nach dessen Rechtssprechung nämlich eine so weit reichende Einschränkung der Berechtigung, eine Austauschbürgschaft zu stellen, dass ein angemessener Ausgleich nicht mehr erfolgt. Jeder Streit um wesentliche Mängel blockiert das Austauschrecht, so dass es in der Regel bei dem Sicherheitseinbehalt bleibt. Dabei sei es nach Aussage des BGH nichts Ungewöhnliches, dass solche Auseinandersetzungen selbst bei unberechtigten Beanstandungen sich oft über die Dauer der Gewährleistungsfrist (nach VOB: 4 Jahre; nach BGB: 5 Jahre) bereits hinziehen. Demgemäß müssen sich die Vertragspartner von vornherein entscheiden, ob sie einen Sicherheitseinbehalt durch Abzug von der Schlussrechnungssumme oder die Überreichung einer Bankbürgschaft vereinbaren? Wird dem Bauunternehmer das Austauschrecht durch Übergabe einer Bankbürgschaft zugestanden, muss dieses unabhängig von eventuellen Baumängeleinwendungen verbleiben.
In diesem Zusammenhang wurden bisher oftmals Bürgschaftsurkunden auf so genanntes erstes Anfordern ausgestellt. Eine derartige vertragliche Vereinbarung benachteiligt aber den Bauunternehmer deshalb unangemessen, weil er im Falle einer unberechtigten Inanspruchnahme das Liquiditätsrisiko allein zu tragen hat. Aus diesem Grunde wurde die VOB bereits 2002 dahingehend abgeändert, dass der Bauherr als Auftraggeber als Sicherheit nicht mehr eine Bürgschaft fordern konnte, die den Bürgen zur Zahlung auf erstes Anfordern verpflichtet. Dieses gilt inzwischen nach der Rechtssprechung des BGH auch für Aufträge seitens der öffentlichen Hand. Die VOB 2006 hat diese Regelung übernommen.

Artikel vom 12.08.2006