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Rohbau droht
zur Bauruine
zu werden

Familie hat Ärger mit Bauträger

Von Hubertus Hartmann
Wewer (WV). Seit einer Woche wollten Andrea (44) und Jörg Freitag (38) mit ihren beiden Kindern eigentlich im neuen Haus wohnen. Doch bislang steht nur der Rohbau, und sämtliche Handwerker sind abgerückt. Es ist völlig ungewiss, ob die Familie überhaupt jemals ihr Eigenheim beziehen wird - obwohl bereits 106 000 Euro bezahlt sind.

Jörg Freitag ist Informatiklehrer. Vor fünf Jahren bekam er eine Stelle in Paderborn, in Wewer möchte er mit seiner Familie jetzt heimisch werden. Im Baugebiet Delbrücker Weg erwarben die Freitags vergangenes Jahr ein Grundstück. »Weil ich mich selbst nicht auskenne, haben wir extra einen Vertrag mit einem Regiebau-Unternehmen geschlossen«, erzählt Freitag. Die Wahl fiel auf die Winterberger Firma Zölzer Haus. Sie hat in Wewer ein Musterhaus und dort schon einige Fertig- und Massivhäuser gebaut. Zum Festpreis von 150 000 Euro wollte Zölzer das Einfamilienhaus mit ausbaufähigem Dachgeschoss errichten. Am 2. Februar war Baubeginn, sechs Monate später, allerspätestens aber am 30. September, sollte das Haus bezugsfertig sein.
Der erste Termin ist verstrichen und der zweite kaum noch einzuhalten, zumal auf der Baustelle Stillstand herrscht.
Mit dem Bauträger liegen die Freitags im Clinch. Der Grund: Wenige Wochen nach Fertigstellung des Kellers stieg in den Betonwänden Feuchtigkeit auf. Als die Firma dann auch noch eine weitere Abschlagszahlung über 30 000 Euro verlangte, obwohl die in Rechnung gestellte Heizungs- und Elektroinstallation noch gar nicht vorgenommen war, verweigerten die Bauherren die Zahlung und schalteten einen Anwalt ein.
»Die Sanierung des Kellers wird etwa 25 000 Euro kosten«, schätzt der auf Baurecht spezialisierte Paderborner Rechtsanwalt Andreas Steenkolk. Doch damit nicht genug. Obwohl die Baubeschreibung Stahlbetonbauweise mit Matten ausweise, habe das Unternehmen Stahlfaserbeton verwandt und diesen offenbar nicht richtig verdichtet. »Die ersten Roststellen sind schon sichtbar, und der Statiker äußert Zweifel an der Standfestigkeit«, schildert Steenkolk die Misere. »Eine solche Bauweise ist fast schon kriminell.«
Die Zölzer GbR scheine finanzielle Probleme zu haben, vermutet der Anwalt. »Die letzte Rate mussten wir schon telegrafisch anweisen, weil die ganz schnell das Geld wollten«, erhärtet Jörg Freitag den Verdacht. »Möglicherweise sind mit unseren Überweisungen andere Lücken gestopft worden.« Denn anscheinend habe Zölzer die von ihm für die Baustelle Freitag beauftragten Handwerker nicht bezahlt, vermutet Anwalt Steenkolk. Die rückten jetzt seinen Mandanten auf die Pelle, obwohl sie das Geld vom Unternehmen zu bekommen hätten. »Der Fensterbauer will seine Fenster wieder herausreißen, und der Putzer hat gedroht, den Innenputz von den Wänden zu klopfen«, berichtet Jörg Freitag. In seiner Not hat er sogar schon die Polizei gerufen.
Sollte Zölzer Insolvenz anmelden, müssen die Freitags um ihr Haus fürchten. »Die 44 000 Euro, die wir noch haben, reichen vielleicht gerade zur Fertigstellung, aber nicht mehr zur Kellersanierung«, rechnet Andrea Freitag vor.
Firmenchef Rainer Zölzer räumt Schwierigkeiten ein, erklärte aber gestern, er sei nach wie vor um eine einvernehmliche Regelung bemüht, doch die Familie Freitag habe Vereinbarungen stets wieder zurück genommen, sich mit einem anderen Bauherrn zusammen getan und die Zahlungen eingestellt. »Deshalb kann ich jetzt die Handwerker nicht mehr bezahlen«, so Zölzers Begründung. Er verhandle zurzeit mit einem Investor.
Das Pech der Familie Freitag ist kein Einzelfall. »Es ist eine Katastrophe, wie manche Anbieter versuchen, minderwertige Arbeit teuer zu verkaufen«, sagt Andreas Steenkolk. »Pfusch am Bau lastet mich inzwischen fast aus.«

Artikel vom 10.08.2006