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Ausdruck der Beseeltheit

Orgelsommer mit Horst Nölle und Christoph Grohmann


Herford (HK). Eine Besonderheit erwartete die Besucher der Johanniskirche am Sonntagabend: Musik für Blockflöten und Orgel, dargeboten von Horst Nölle (Spenge) und Christoph Grohmann (Rheda-Wiedenbrück). Die beiden gaben als Solisten wie im Ensemble ein abwechslungsreiches Programm, das vom 17. Jahrhundert bis zu Mozart reichte.
Horst Nölle ist ein Künstler, dessen Persönlichkeit das Publikum unmittelbar in ihren Bann zieht. Er entlockt seiner Flöte Ausdrücke musikalischer Beseeltheit, die tief zu Herzen gehen. So in der g-moll-Sonate des Italieners Ignazio Sieber, deren zarte Klänge wie für die Akustik der Johanniskirche geschaffen schienen. Höchste Virtuosität erforderte dagegen J. Loeillets Sonate für Sopranblockflöte und Basso continuo: der langsame Satz beginnt mit einer recht energischen, aufsteigenden Figur, die folgenden schnellen Sätze sprudeln vergnüglich in enormem Tempo dahin. Ganz religiöse Einkehr dagegen strahlte Jan van Eycks Solostück über den Choral »Herr Gott, dich loben alle wir« aus: die langsamen Töne des Beginns bereiten vor auf ein Feuerwerk von Einfällen, die aber alle dazu dienen, das Gotteslob des Chorals zu vertiefen.
Christoph Grohmann bewährte sich zunächst als sicherer Begleiter der Sonaten, die Nölle intonierte (leider stand kein Stück im Programm, in dem Orgel und Blockflöte gleich berechtigt gewesen wären), dann aber mit souveränem Spiel und einfallsreicher Registrierung in den Stücken für Orgel solo. Großartig seine Interpretation des Offertoriums aus einer Orgelmesse für Klöster von Couperin: Man glaubte doppelchörige Chormusik zu vernehmen. Mit der einsätzigen Kirchensonate von Mozart KV 336 erwies Grohmann dem Mozartjubiläum seine Reverenz. Eine besonders interessante Entdeckung gelang ihm mit der Sonata I von Franz Xaver Schnizer, einem Mönch aus Ottobeuren: ein Stück von herrlicher Klarheit und Spielfreude, bei dem man sich fragt, warum es nicht längst zum Schlager geworden ist. Einen Teil des langsamen Satzes registrierte Grohmann wie eine Spieluhr: ein entzückender Effekt!
Zur großen Freude der Veranstalter war die Johanniskirche bis zum letzten Platz gefüllt. Das Konzept des Orgelsommers mit Stadtführungen und Kirchenmusik hatte sich wieder einmal bewährt. Aufgrund des herzlichen Beifalls gaben die beiden Virtuosen eine Zugabe: einen Satz aus einer Sonate von Diogenio Bigaglia (ca. 1676-1745). Gerd Büntzly

Artikel vom 08.08.2006