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Mit halber
Million nach
England

Ärzte sehen sich im Ausland um

Von Thomas Hochstätter
Bad Oeynhausen (WB). Der Streik der Klinikärzte geht weiter. Und manch einer der unzufriedenen Mediziner rechnet sich schon einmal aus, ob das Leben im Ausland nicht auskömmlicher wäre.
Beim General Medical Council in England schon registriert: Dr. Kaneschka Jahanyar.

Einer, der diese Rechnung bereits aufgemacht hat, ist Dr. Kaneschka Jahanyar, der Sprecher der streikenden Bad Oeynhausener Ärzte. Er sagt, die Zunahme der zu betreuenden Patienten pro Jahr und Arzt führe zu wachsender Arbeitszeitverdichtung. Das bedeute, dass für die einzelnen Untersuchungen, Patienten- und Angehörigengespräche, Visiten oder Rücksprachen mit Kollegen aus anderen Fachbereichen immer weniger Zeit zur Verfügung stehe. Es komme also zu einem massiven Einbruch der Behandlungsqualität. Und das trotz Wochenarbeitszeiten von 60 bis 80 Stunden. »Da kann von leistungsgerechter Bezahlung keine Rede mehr sein«, schimpft der Facharzt für Chirurgie aus dem Zweckverbandkrankenhaus an der Wielandstraße. »In England würde ich drei bis vier Mal so viel verdienen«, sagt er. Und wenn sich hier nichts ändere, sei der Flug nach Großbritannien gar nicht so unwahrscheinlich. »Ich habe mich bereits beim General Medical Council registrieren lassen, das entspricht in Großbritannien in etwa unserer Ärztekammer«, erzählt er. Welch schlechtes Geschäft sein Auszug über den Ärmelkanal volkswirtschaftlich wäre, kalkuliert Kaneschka Jahanyar so: »Meine Ausbildung während des Studiums dürfte den Steuerzahler alles in allem 250 000 Euro gekostet haben. Hätte ich Bafög erhalten, wäre es noch mehr gewesen. Einschließlich Facharztausbildung kommt da etwa eine halbe Million Euro an Staatsgeld zusammen. Man muss sich das so vorstellen, als ob jeder Arzt, der das Land verlässt, mit diesem ganzen Geld ausreisen würde.« So werde begreiflich, wie viel der Staat verliere, wenn er seine Ärzte nicht angemessen bezahle.
Geld bekommen die streikenden Ärzte seinen Angaben zufolge derzeit gar nicht: »Die Ärztegewerkschaft Marburger Bund hat keine Streikkasse.«
Antrieb sei weiterhin, dass man den Nachbesserungsvertrag zum Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVöD), den Verdi und DBB-Tarifunion in der vergangenen Woche abgeschlossen hatten, für eine »Mogelpackung« halte, die den Ärzten im Vergleich zum früheren Bundesangestelltentarif BAT nicht mehr, sondern weniger Gehalt beschere.

Artikel vom 08.08.2006