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Wenn die Ritter ins Feld ziehen

Zweiter historischer Markt lockt tausende von Besucher nach Lippling

Von Marion Neesen (Text und Fotos)
Lippling (WV). Sebastian ist 23. Mit 16 wollte der junge Mann aus Gelsenkirchen etwas erleben und tingelte ein Jahr lang als Feuerschlucker mit dem Zirkus Remmi Demmi durchs Ruhrgebiet. Später erlernte er den Beruf des Feuerwerkers und schloss sich der Freyen Ritterschaft von Ense an. Heute zieht er mit seinen Kanonen von Markt zu Markt und lässt es wie im Mittelalter ordentlich krachen. So auch am Wochenende in Lippling, wo an der Laakestraße bereits zum zweiten Mal alles ein bisschen anders war als sonst.

Am Hof Kersting, mitten in der Lipplinger Feldflur, hatten wieder Händler, Templer, Söldner und Ritterschaften ihr Lager aufgeschlagen, um zwei Tage lang ins Mittelalter abzutauchen und Besucher daran teil haben zu lassen. Hier liefen Ritter in Kettenhemden herum, brutzelte das Spanferkel am Spieß, verkauften holde Jungfrauen feine Gewänder und unterhielten Spielleute mit altertümlicher Musik. »Das Mittelalter liegt voll im Trend«, sagt Ernstus de Lyppense, Kaufmann bei den Freyen Soeldnern zur Lippe, und glaubt, dass der mit Technik überbordete Alltag ein Grund dafür ist. »Die Menschen wollen zurück zur Natur«, sagt der Lippstädter, der im wahren Leben Ernst Albert heißt und als technischer Angestellter arbeitet. Vor etwa zwei Jahren entdeckte er das Mittelalter als neuen Lebensinhalt. Während Ehefrau Annemarie »unseren Hausstand verkauft«, schwingt Sohnemann Robin als angeworbener Söldner das Schwert. Das ist gar nicht so einfach - mit einem 13 Kilo schweren Kettenhemd am Leib, einem 1,5 Kilo-Helm auf dem Kopf und einem 5-Kilo Schild in der Hand. Robin und seine Kollegen von den Freyen Soeldnern zur Lippe sowie die befreundeten Wölfe Westfalens aus dem Ruhrgebiet bereiten sich gerade auf die Schlacht mit den Templern aus Lünen vor. Vor staunendem Publikum zeigen diese aber später wenig Gegenwehr und sind schnell besiegt.
Regine Weiß und Richard Kranz lassen es derweil etwas friedlicher angehen. Sie sind aus dem Bergischen Land angereist und unterhalten die Marktbesucher mit ihrer Musik auf historischen Instrumenten. Eigentlich ist die Gruppe Triskele ein Trio, aber eine Freundin ist heute nicht dabei. Dafür haben die beiden Musiker schnell Kontakt mit Loki, dem Galgenvogel, geknüpft. Der Salzkottener, der eigentlich Detlef Glock heißt, empfängt die Besucher schon am Eingangstor mit seinen Liedern.
Mehr als 8000 Besucher fanden bei der Zweitauflage des historischen Marktes den Weg zum Hof Kersting, so dass die Organisatoren Junker Wilfried Remmert, Burgvogt Hubertus (Gröne) und Küchenmeister Hippenschmaus Heinrich (Horaczek) am Sonntag mehr als zufrieden waren. Mit 38 Händlern und sechs Heerlagern hat sich der Markt im Vergleich zum Vorjahr deutlich vergrößert und an Attraktivität gewonnen. Ansporn genug, um auch im nächsten Jahr wieder Ritter, Söldner und Templer an die Laakestraße einzuladen, denn die Faszination Mittelalter gewinnt immer mehr Anhänger. Den Termin legte Remmert schon gestern auf das gleiche Wochenende im August 2007 fest.
Dann wird sicherlich auch Sebastian aus Gelsenkirchen wieder dabei sein und seine Dreipfünder krachen lassen.

Artikel vom 07.08.2006