05.08.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Ernten wie vor einem halben Jahrhundert

Treckerverein testet in Dehme historischen Mähbinder

Von Sandra Reuter (Text und Fotos)
Bad Oeynhausen-Dehme (WB). Langsam lenkt Uwe Gießelmann seinen grünen Deutz-Traktor über das Weizenfeld von Landwirt Werner Brüggemann in Dehme. Neben ihm sitzt auf dem historischen Fahrzeug, Baujahr 1951, sein Sohn Tim. Immer wieder drehen sich beide um, denn hinter dem Traktor hängt eine echte Rarität: ein alter Mähbinder der Firma Mac Cormik, der sich Bahn für Bahn durch das Getreide auf dem etwa einen halben Morgen großen Feld (ungefähr 1250 Quadratmeter) arbeitet.
Oben auf dem Mähbinder ist Frank Löwenstein damit beschäftigt, aus dem geschnittenen Weizen Garben zu binden. Die windmühlenartige Haspel legt das Korn auf das Mähwerk.
Mähen wie vor einem halben Jahrhundert - das wollte am Donnerstag der Treckerverein Bad Oeynhausen auf dem Dehmer Feld ausprobieren. Ganz oben auf dem Mäher sitzt »Knoter« Frank Löwenstein, der den geschnittenen und zu ihm hinauf transportierten Weizen zu Garben bindet - vor fünfzig Jahren war in der Landwirtschaft noch Handarbeit gefragt. Erst im Frühjahr hatten die Vereinsmitglieder den Mähbinder in einer Scheune auf einem Hof in Dehme entdeckt. Zwischen 50 und 70 Jahren ist er alt. »Wir haben ihn komplett restauriert und wieder flott gemacht«, erzählt Vereinsvorsitzender Herbert Pangritz. Die Technik habe man wieder gängig gemacht, eine neue Haspel - sie legt das Getreide auf das Mähwerk - eingebaut und die Lager geschmiert. »Nun wollen wir sehen, ob es funktioniert.«
Nicht nur viele Freunde und Besitzer nostalgischer Traktoren, sondern auch einige Schaulustige säumen das Feld, um sich das ungewöhnliche Schauspiel anzusehen. Und das Mähen wie zu alten Zeiten klappt tatsächlich: Bald sind die ersten Bahnen geschafft, aus den gebundenen Garben entsteht der erste Haufen - die so genannte Hocke. »Früher ließ man so das Korn, je nach Witterung, etwa eine Woche auf dem Feld trocknen«, weiß Pangritz. »Dann wurde es in die Scheune gebracht, schließlich mussten die Ähren noch ausgedroschen werden.« Die Mühe des Dreschens mit einem Flegel machen sich die Traktorenfreunde jedoch nicht - sie benutzen einen Dreschkasten, auch ein Original aus den Fünfzigern. Letztendlich landet der Weizen in den Mägen von Schweinen, Rindern und Hühnern.
»Früher war die Getreideernte harte Arbeit. Die Männer bearbeiteten oft riesige Felder und waren bis spät abends mit dem Aufhocken beschäftigt«, sagt Pangritz. Bis in die siebziger Jahre habe man Mähbinder benutzt, dann kam der Mähdrescher und hat die Landarbeit um einiges erleichtert. Der Treckerverein widmet sich alten landwirtschaftlichen Arbeitsweisen und will die fast vergessenen Traditionen pflegen. Die meisten Mitglieder haben zu Hause ein altes Schätzchen, das sie selbst liebevoll restauriert haben. So auch Rene Backs, Kassierer des Vereins. Seinen Hanomag R4 35 hat er mit nach Dehme gebracht, doch zum Einsatz mit dem Mähbinder wird er wohl nicht mehr kommen. Backs packt dennoch mit an und schichtet Garben auf oder hilft, wenn beim Mähen einmal etwas klemmt.
»Man braucht zwar eine Menge Kraft, um die alten Traktoren zu bedienen«, beschreibt Herbert Pangritz das Fahrgefühl, »aber ein moderner Trecker ist wegen der komplizierten Elektronik schwieriger zu fahren.« Der alte Deutz fahre sich fast wie ein Auto. Landwirt ist Uwe Gießelmann, der oben auf dem Deutz sitzt, übrigens nicht. Er ist Schornsteinfeger von Beruf, und die bringen ja bekanntlich Glück. Vielleicht hat das historische Mähen auch deshalb so gut funktioniert.

Artikel vom 05.08.2006