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Der Hauptbahnhof bleibt ein Schandfleck

Bauarbeiten verzögern sich weiter - Aufzug funktioniert nicht - Grüne sprechen von Inkompetenz

Von Hubertus Hartmann
Paderborn (WV). Die Bahnhofsuhr zeigt »Fünf vor Zwölf«. Ein Symbol, das täuscht. In Wahrheit ist es längst zu spät, und die Deutsche Bahn AG hat den Zug der Zeit bereits verpasst.

Der Paderborner Hauptbahnhof - er ist und bleibt ein unendliches Thema. Die Visitenkarte der Stadt präsentiert sich als an Hässlichkeit kaum zu überbietender Schandfleck. Für Besucher, die mit der Bahn anreisen, wird die Ankunft in der Bischofstadt buchstäblich zum »Gang nach Canossa«.
Anna (69) und Hermann Kaufmann (73) kommen aus Frankfurt. Sie stehen etwas ratlos vor dem schmucken gläsernen Aufzug in der Bahnhofshalle. Der sieht zwar gut aus, ist aber nicht in Betrieb - auch wenn kein Schild darauf hinweist. Ihren Koffer müssen den alten Leute die Treppe hoch schleppen. »Und das bei den Fahrpreisen, ein Unding«, grummelt der Rentner.
»Seit vier Jahren und länger« laufen nach Auskunft von Projektleiter Volker Kunze die Planungen für einen Aufzug und behindertengerechte Toiletten im Bahnhofsgebäude. Tatsächlich wurde der Lift nach vielen Verzögerungen im Februar installiert. Was noch fehlt, ist das zentrale elektronische Notfall-Steuerungselemen, ein so genanntes »Emergency and Inspection Panel«. »Ich gehe davon aus, dass bis Ende dieses Monats alles fertig ist«, verbreitet Kunze Optimismus und versichert: »Auch die Planungen für die Behindertentoiletten laufen jetzt an«.
Eine »unglaubliche Inkompetenz der Bahn« nennen das die Grünen-Ratsfrauen Katja Knies und Kerstin Haarmann. Sie wollen erfahren haben, dass bei der Ausschreibung des fehlende Element einfach hvergessen wurde. »Im Großkonzern Bahn weiß die eine Hand offenbar nicht, was die andere tut«, kommentiert Haarmann fassungslos. Auch das Hin- und Her zwischen Projektleitung, Bahnhofsmanagement Bielefeld und der Stadt Paderborn über den Einbau der Behindertentoiletten habe die Gesamtplanung nach Auskunft des Projektleiters zum Teil verzögert. Die Bahn betrachte ihre Fahrgäste anscheinend immer noch nicht als Kunden.
Die beiden Ratsfrauen werfen auch der Stadt Paderborn Untätigkeit und mangelndes Interesse am Bahnhof vor. Das könne man man zum Beispiel an der Vernächlässigung der Schaukästen im Bahnhof ablesen. Selbst nach der Umgestaltung der Halle sei der Schaukasten mit dem bedeutungsvollen Namen »Paderborn-aktuell« alles andere als zeitgemäß - geschweige denn ansprechend. Katja Knies: »Die Scheiben sind verdreckt, die Tür muss mit Klebeband gesichert werden, damit sie nicht heraus fällt, und der Inhalt des Schaukastens beschränkt sich auf einen Stadtplan, der nicht einmal ein Straßenverzeichnis enthält und ein paar wenig sagende Faltblätter, die zum Teil ebenfalls veraltet sind.« Der zweite Schaukasten ist völlig leer und seit Jahren unbetreut. Dabei habe Paderborn doch so viel zu bieten, wie nicht nur der Bürgermeister immer wieder gerne betone.
Die Vorwürfe gegen die Stadt weist Paderborns Erster Beigeordneter Dieter Bartha entschieden zurück. »Die Situation im Hauptbahnhof ist in der Tat seit Jahren sehr beklagenswert und ein Ärgernis«, gibt er den Kritikerinnen Recht. Aber die Stadt bemühe sich seit Jahren, bei der Bahn AG auf Verbesserungen hinzuwirken und habe sogar schon angeboten, das Gebäude zu kaufen, was die Bahn jedoch abgelehnt habe.
Die Schaukästen in der Halle würden indes seit langem nicht mehr vom Verkehrsverein der Stadt angemietet und unterhalten. »Der Bitte, die Vitrinen abzumontieren, hat die Bahn bisher nicht entsprochen«, bedauert Bartha.
Das ZDF sucht bekanntlich noch zwei Wochen lang den »Lieblingsort der Deutschen«. Der Paderborner Bahnhof wird es wohl nicht werden.

Artikel vom 07.08.2006