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Schwere Jungs sind ihr Klientel

Stefanie Gramke (27) betreut als Bewährungshelferin 70 »Probanden«

Von Ingo Schmitz
Kreis Höxter (WB). Auch wenn man es ihr möglicherweise auf den ersten Blick nicht zutrauen mag: Diebe, Betrüger und Schläger sind Stefanie Gramkes tägliches Geschäft. Die junge aber resolute Bewährungshelferin hat keine Probleme, sich bei den »schweren Jungs« durchzusetzen.

Die 27-Jährige ist eine von sieben Mitarbeitern der Bewährungshilfe in Brakel, die für den gesamten Kreis Höxter zuständig ist. Von hier aus werden derzeit 425 »Probanden« - so werden die »Kunden« der Bewährungshilfe im Fachjargon genannt -Ê betreut. »Viele davon behaupten auch nach ihrer Verurteilung, unschuldig zu sein. Mich interessiert aber nur das, was im Urteil steht, und das ist nunmal rechtskräftig«, sagt die Sozialarbeiterin, die in einer ehemaligen Männerdomäne tätig ist. Das Studium wird aber inzwischen von Frauen dominiert.
Stefanie Gramke betreut und kontrolliert 70 Personen im Alter zwischen 14 und 70 Jahren. Auf nur sechs Prozent beläuft sich der Anteil der Frauen. Jeder Fall berge seine besonderen Problematiken, sagt sie. Doch alle Fälle haben etwas gemeinsam: »Man kann nur dann gut zusammen arbeiten, wenn man den Betroffenen eine gesunde Mischung aus Vertrauen und Misstrauen entgegen bringt.«
Nicht selten sei bei Jugendlichen das Verhältnis zu den Eltern zerstört, berichtet Gramke. Die Situation verschärfe sich durch fehlende Schulabschlüsse, Arbeitslosigkeit, Schulden oder auch drohende Wohnungslosigkeit. »Manche haben viele negative Lebenserfahrungen hinter sich. Aber sie dürfen sich nicht darauf ausruhen und sich damit für ihre Taten rechtfertigen. Sie müssen lernen, Verantwortung zu übernehmen. Mitleid bringt nichts«, stellt die junge Frau klar, die mitunter frustriert ist, wenn sie das Desinteresse mancher Eltern sieht.
Stefanie Gramke hat gelernt, die Messlatte für den Erfolg eines Probanden niedriger anzulegen. »Wenn jemand ständig aus dem Job fliegt, ist es schon ein Erfolg, wenn es der Betroffene während seiner Bewährung in einer Firma zumindest für einige Monate aushält.« Ein Erfolg könne auch sein, wenn ein Proband lerne, seine Wohnung in Ordnung zu halten. In manchen Fällen sucht Stefanie Gramke die Betroffenen mehrfach in der Woche auf, um die Lebensumstände zu prüfen, bei der Wohnungs- oder Jobsuche zu helfen oder auch Suchtkranke in betreutes Wohnen zu vermitteln. Bei anderen Probanden reiche ein einmaliger Kontakt pro Monat. Stefanie Gramke: »Manche Kleinkriminelle fordern wesentlich mehr Betreuung, als jemand, der wegen Totschlags verurteilt worden ist.«
Ruhe und Durchsetzungskraft sind bei der Arbeit mit den unter Bewährung stehenden Personen gefragt. »Einer meiner Probanden ist sehr aufbrausend. Ich versuche ihm stets deutlich zu machen, dass er mich ruhig anschreien kann, nur im Leben wird er damit nicht weiter kommen. Er muss an sich arbeiten!«
Zwischen zwei und fünf Jahren kann eine Bewährungsfrist betragen. Nicht selten geraten einige der Probanden währenddessen erneut mit dem Gesetz in Konflikt und müssen dann ins Gefängnis. Die 27-Jährige ist überzeugt: »Für manche ist die Haft notwendig, um zu verstehen, dass es so in ihrem Leben nicht weiter gehen kann.« Die Rückfallquote beläuft sich nach ihren Angaben deutschlandweit auf 30 Prozent.

Artikel vom 09.08.2006