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Das Wort zum Sonntag

 Von Karl-Heinz Holt, Diakonie Lübbecke


Auch in diesem Jahr (vom 24. bis 30. September) findet bundesweit die so genannte »Interkulturelle Woche/Woche der ausländischen Mitbürger« statt. Mit dem Motto »Miteinander Zusammenleben gestalten« ruft der Ökumenische Vorbereitungsausschuss interessierte Bürgerinnen und Bürger, Gruppen und Organisationen auf, sich an der Woche zu beteiligen. Im Kirchenkreis Lübbecke organisiert dazu die Diakonie in Zusammenarbeit mit verschiedenen Partnern und zahlreichen Ehrenamtlichen verschiedene Veranstaltungen.
Als Vertreter dreier Kirchen äußern sich im gemeinsamen Wort zur Aktionswoche Karl Kardinal Lehmann, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Dr. Wolfgang Huber, Vorsitzender des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, und Augoustinos, Griechisch-Orthodoxer Metropolit von Deutschland:
»Es ist heute weithin gemeinsame Überzeugung, dass die Integration von Migranten eine gesellschaftliche und politische Schlüsselaufgabe darstellt. Integration ist ein vielschichtiger und wechselseitiger Prozess. Er fordert Zuwanderer und Aufnahmegesellschaft gleichermaßen heraus. In der Gestaltung des Zusammenlebens zwischen einheimischen und zugewanderten Menschen sind wichtige Schritte erst noch zu gehen. Dramatische Vorgänge in der jüngsten Vergangenheit zeigen, dass die erhoffte rechtliche und soziale Integration in vielerlei Hinsicht noch nicht gelungen ist. Doch zugleich wird Menschen, die in hohem Maß integriert sind, ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht vorenthalten. In dieser Spannung begehen wir die »Interkulturelle Woche/Woche der ausländischen Mitbürger 2006«. Sie ruft uns dazu auf, in neuer Weise über unsere Gesellschaft und über das Zueinander von Einheimischen und Zugewanderten nachzudenken. Dabei bleibt es nicht aus, einen Blick auf die Wirkungen des Zuwanderungsgesetzes von 2005 zu werfen. Dieses Gesetz sollte die Integration voranbringen und den längst überfälligen Perspektivwechsel von einer vornehmlich auf Abwehr ausgerichteten hin zu einer konstruktiven und pragmatischen Migrationspolitik einleiten. Die vorläufige Bilanz fällt jedoch insgesamt ernüchternd aus. Zu beobachten ist zudem nach wie vor eine Abschiebepraxis, die humanitären Belangen nicht zureichend Rechnung trägt und selbst solche Menschen erfasst, die sich bereits gut in unsere Gesellschaft integriert haben. Abgeschoben werden auch Familien, deren Kinder hier aufgewachsen oder geboren sind. Durch solche Entwicklungen droht der gesellschaftliche Konsens, der dem Zuwanderungsgesetz zu Grunde lag und der durch das Gesetz gefestigt werden sollte, wieder in Frage gestellt zu werden.
Als Kirchen sind wir darum bemüht, sowohl im eigenen Bereich als auch in die Gesellschaft hinein Anstöße für ein gelingendes Zusammenleben mit den Zugewanderten zu geben und uns den immer wieder zu Tage tretenden Tendenzen von Ausgrenzung, Diskriminierung und Gewalt in unserer Gesellschaft gemeinsam zu widersetzen. Jedem Menschen kommt trotz aller Unterschiede eine unumstößliche Würde zu, die in Gott selbst gründet. (Gen 1,26 f). Sie ist unabhängig von gesellschaftlichen Bewertungsmaßstäben und nicht an Bedingungen geknüpft.«
Für mich hat der jährlich wiederkehrende Aufruf der Kirchen zu einer so genannten Interkulturellen Woche auch nach einer jahrzehntelangen Tätigkeit im Bereich der Asyl-, Flüchtlings- und Migrationsthematik nichts an Aktualität verloren. Für uns alle soll das gemeinsame Wort dreier Kirchen angesichts von nach wie vor bestehender Gewalt, Krieg, Menschenrechtsverletzungen und Flüchtlingselend Mahnung und Handlungsansporn sein.

Artikel vom 05.08.2006