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Eine Zerreißprobe für Ärzte und Patienten

Mediziner streiken am Krankenhaus - Operationen abgesagt

Von Moritz Winde (Text und Fotos)
Bad Oeynhausen (WB). Seit 1985 arbeitet Karl-Werner Töpler im Krankenhaus Bad Oeynhausen. »So leer wie heute war die Ambulanz noch nie«, sagt der 61-jährige Chirurg. Die Auswirkungen des Ärzte-Streiks sind seit Freitagmorgen auch im Zweckverband zu sehen. Nur die Notfallversorgung der Patienten bleibt aufrecht erhalten.

Normalerweise, sagt Karl-Werner Töpler, sei die Ambulanz wochentags rappelvoll. Auch die fünf Operationssäle seien in der Regel belegt. Am Freitagmorgen jedoch ruhte der Betrieb fast komplett. Alle geplanten Operationen wurden abgesagt. Immerhin 13 Stück. »Nur die Eingriffe, die zwingend notwendig sind, werden durchgeführt«, erklärt der Mediziner. Wer in diesen Tagen ins Krankenhaus an der Wielandstraße eingeliefert wird, wird erst einmal genau unter die Lupe genommen. »Dann wird entschieden, ob eine sofortige Operation notwendig ist«, sagt Töpler, der am Freitagmorgen neben vier Kollegen zur Notfallbesetzung gehörte. 17 Ärzte arbeiten in der Regel pro Schicht in der Chirurgie.
Dass Patienten, die mit einem Gallensteinleiden, einer verstauchten Hand oder einer Schilddrüsenerkrankung wieder nach Hause geschickt werden, nicht besonders erfreut seien, dafür zeigt Töpler Verständnis. »Wir wollen aber zeigen, wie ernst es uns ist. Wir akzeptieren den verdi-Abschluss nicht«, sagt der Bielefelder. Er hat sich mit seinen Kollegen darauf verständig, zunächst einmal bis Dienstag die Arbeit nieder zu legen. »Ich bin gespannt, wie lange das durchgehalten wird. Denn vor allem für junge Assistenzärzte mit Familien ist es eine Zerreißprobe. Schließlich bekommen wir die streikenden Tage nicht bezahlt.«
So wie Cem Dogan. Der 28-jährige Chirurg ist im Stress. »Ich habe alle Hände voll zu tun. Irgendwie geht es aber weiter«, sagt er im Vorbeigehen. Der junge Mann muss momentan nicht nur vier Stationen betreuen. Auch für Not-Operationen muss er stets einsatzbereit sein. Die Freundlichkeit ist Cem Dogan trotzdem nicht abhanden gekommen. Behutsam untersucht er das am Dienstag operierte Bein von Doris Cowan. Die 73-jährige Rentnerin aus Wuppertal hatte es sich während ihres Kuraufenthaltes in Bad Oeynhausen gebrochen. Wenn der Unfall am Freitag passiert wäre, hätte sie jedoch nicht warten müssen. »Wir hätten sofort operiert. Brüche sind immer Notfälle«, sagt der Assistenzarzt und ist schon wieder verschwunden. Der nächste Patient wartet bereits auf ihn.

Artikel vom 05.08.2006