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»Rosenkrieg« nach der Goldenen Hochzeit

Rentner (83) wegen Schlag gegen Ehefrau (84) vor Gericht - Gericht versucht Ehefrieden zu retten

Halle (Skü). Es gibt Geschichten vor Gericht, die glaubt man kaum. Auch Richter und Staatsanwältin wollten nicht wahrhaben, dass ein betagtes Ehepaar aus Kölkebeck nach mehr als 50 Ehejahren auf einmal einen »Rosenkrieg« ausfechtet. »Sie haben vor Gericht doch eigentlich gar nichts zu suchen«, war der eindringliche Appell an die über 80-Jährigen, sich doch die letzten gemeinsamen Jahre schön zu machen.

Der 83-jährige Angeklagte betrat mit dem Krückstock den Gerichtssaal. Der Rentner hatte gegen einen Strafbefehl Einspruch eingelegt, nach dem er 900 Euro wegen Körperverletzung an seiner 84-jährigen Frau zahlen sollte. Angeblich hatte er am 14. Dezember 2005 seiner ebenfalls gebrechlichen Ehefrau (84), die auf einen Rollator beim Gehen angewiesen ist, mit der Faust einen Schlag ans Kinn versetzt. Die Vernehmung des Landwirtes durch Richter Peeter-Wilhelm Pöld gestaltete sich schwierig, weil altersbedingt doch einige Gedächtnisschwächen auftauschten. Doch an eines wollte er sich genau erinnern, nämlich nicht die Hand erhoben zu haben.
Im Laufe der Vernehmung wurde klar, dass Hintergrund ein Familienstreit um eine gerechte Erblösung und den Fortgang von zwei Höfen ist, in den auch die beiden Söhne sowie die Tochter stark verwickelt sind. Während der Vater mit dem ältesten Sohn hält, stehen auf der Gegenseite Mutter, Tochter und der andere Sohn beisammen. Die Streitigkeiten, die auch Zivilgerichte beschäftigen, eskalierten wohl soweit, dass an jenem 14. Dezember Polizeibeamte gleich zwei Mal auf dem Hof erscheinen mussten.
Die 84-jährige Ehefrau erklärte im Zeugenstand, dass der Faustschlag ans Kinn tatsächlich erfolgt sei, konnte oder mochte aber die Hintergründe des Anlasses nicht darlegen. Es seien auch nicht die ersten Schläge gewesen. Den Strafantrag bei der Polizei hatte sie offenbar auf Anraten ihrer Tochter gestellt. Dass der Mann auch noch für einige Tage aus der Wohnung verwiesen werden sollte, wie es in solchen Fällen üblich ist, lehnte die Frau aber ausdrücklich ab.
Richter und Staatsanwältin waren sich schnell einig, dass dieses Verfahren am besten mit einer Einstellung beendet wird, zumal die 84-Jährige einräumte, dass das Verhältnis zum Mann wieder besser sei. »Sie sind zusammen so alt geworden, da müssten sie es schaffen, ihre Probleme friedlich zu lösen«, appellierte die Staatsanwältin und fügte an: »Dass eine Ehe nach über 50 Jahren noch so temperamentvoll sein kann, macht mir nach erst sieben Ehejahren schon fast Angst.« Sie empfahl den beiden, die Fotos aus den schönen Jahren gemeinsam anzuschauen.
Richter Pöld stellte das Verfahren auf Kosten der Landeskasse ein und redete anschließend den Söhnen und der Tochter ins Gewissen. Sie sollten die Eltern nicht vor ihre Karren bei den Erbstreitigkeiten spannen: »Gönnen Sie Ihnen noch ein paar gute Jahre.«

Artikel vom 03.08.2006