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»Ich bin ein globaler Wanderarbeiter«

Industriedesigner Wilfried Lüke hat Aufträge aus der Stadt und der ganzen Welt

Von Bernd Steinbacher
(Text und Fotos)
Schloß Holte-Stukenbrock (WB). Er hat Kunden in Kalifornien, in Hongkong, in Berlin, arbeitet aber auch mit heimischen Unternehmen zusammen. So hat er mit der ortsansässigen Firma RS Schwarze mehrere Projekte erfolgreich umgesetzt. »Ich bin ein globaler Wanderarbeiter«, sagt Industriedesigner Wilfried Lüke aus Schloß Holte-Stukenbrock.

Die »Arbeitsmittel« sind neben seinen Ideen ein Laptop mit externem 80-Gigabyte-Speicher und ein Handy. »So bin ich überall für meine Auftraggeber erreichbar.« Aufgrund der Zeitverschiebung geht es morgens mit E-Mails aus Asien los und am späten Abend kommen dann im Büro die Anrufe aus den USA an. Häufig ist er aber unterwegs, ist direkt bei Kunden, um wichtige Detailabstimmungen vorzunehmen.
Wilfried Lüke lernte Modellbauer in einer Gießerei, »das war gut für die Vorstellungskraft«, ist studierter Industriedesigner, mittlerweile seit 19 Jahren selbstständig, und war davor bei einem Computerunternehmen beschäftigt. Er arbeitet jetzt für die unterschiedlichsten Industriebranchen, gestaltet beispielsweise Gehäuse für Garagentor-Antriebe, für Pumpen und Kassenterminals. »Wir machen sehr technisch orientiertes Design, die Schnittstelle zur Ingenieursarbeit ist sehr eng«, erklärt der 53-Jährige. Seit mehr als zehn Jahren hat er einen Mitarbeiter, Bernd Plöger aus Paderborn. Die Auftragslage wird mit »150-prozentiger Auslastung beschrieben«, was letztlich auch Arbeiten während des Urlaubs bedeutet.
Im Laufe seiner Selbstständigkeit hat sich die Arbeitsweise, bedingt durch den technischen Fortschritt, stark verändert. Das Zeichenbrett in seinem Büro dient »fast nur noch als Dekoration«. Dank der leistungsstarken 3-D-Computerprogramme ist es einfacher, den Kunden eine Vorstellung vom künftigen Produkt zu geben. »Die Arbeit am Computer geht auch schneller, wir sind wohl drei- bis fünfmal produktiver als am Zeichenbrett.« Doch nach wie vor ist erst ein Modell - oder mehrere Varianten davon, die Entscheidungsgrundlage. Allerdings ist dank der E-Mails der Datenaustausch, zum Beispiel mit den Entwicklungsingenieuren, viel einfacher geworden. So ist die Reisetätigkeit weniger geworden, wohl nur etwa 40 000 Kilometer im Jahr. Vor zehn bis zwölf Jahren war er etwa doppelt so viel unterwegs.
Doch, wenn es darauf ankommt, ist er auch ganz nah beim Kunden. So hat er wegen der Abstimmungen mit einem wichtigen Auftraggeber in Berlin dort eine kleine Wohnung gemietet, um in Ruhe arbeiten zu können. Der Kunde stellt Selbstbedienungskassen her, Wilfried Lüke macht das Design und die Tischlerei Kuhlmann in Schloß Holte-Stukenbrock baut das Funktionsgehäuse. »Eine gute Zusammenarbeit. Generell sind wir sehr flexibel, unser Vorteil ist auch, dass wir von der ersten Idee bis zum fertigen Gehäuse alles bieten.«
Über seine Auftraggeber möchte Wilfried Lüke nicht zu viel sagen, schließlich »ist man in viele Entscheidungen mit eingebunden und erhält dadurch Einblicke«. Ein Vertrauensverhältnis sei deshalb wichtig. So habe er ein halbes Dutzend Auftraggeber für die er seit Jahren sehr regelmäßig arbeite und ein weiteres Dutzend mit Aufträgen etwa einmal im Jahr. Dann gebe es noch einige Kunden, die ihm »alle paar Jahre beauftragen«. »Aktiv akquirieren muss ich nicht«, so der Industriedesigner. Es komme vor, dass zufriedene Firmen seine Adresse weitergeben oder den Arbeitgeber wechselnde Mitarbeiter sich an ihrer neuen Position auch nach Jahren an ihn erinnern.
Besagtes Vertrauen muss dann auch stark genug sein, wenn Designideen von Firmen aus Fernost geklaut werden. »Bei einer Fernbedienung, die in großen Stückzahlen produziert wurde, ist das vorgekommen«, nennt er ein Beispiel. Die Gefahr sei schon groß, dann komme auch schon mal die Frage, ob er Daten weiter gegeben habe. Was er natürlich nicht hat, vielmehr sei es möglich, komplette Produkte abzuscannen und so die äußere Form zu kopieren.
Trotz dieses Ärgers, Wilfried Lüke kommt ins Schwärmen über seine Arbeit: »Es ist immer wieder eine Herausforderung aufgrund technischer Daten verschiedene Ideen für das Design zu entwickeln. Die Funktion ist die wichtigste Entscheidungsgrundlage«, betont er. Die Realisierbarkeit sei selbstverständliche Voraussetzung, gerade bei Kunststoffprodukten sei auch das Recycling eine wichtige Frage. Manchmal spiele auch die Verpackung eine große Rolle. So musste einmal eine bestimmte Anzahl von Kartons auf eine Europalette passen, damit sich letztlich auch der Transport rechnet. Bei großen Unternehmen spielten die Ansichten der Marketingabteilung eine Rolle, so dass die Entscheidung für ein Aussehen immer ein umfassender Kompromiss sei. Und für diese Abstimmungen ist er unterwegs oder schickt sein Wissen per Computer um die Welt.

Artikel vom 02.08.2006