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Rehe fallen über Friedhof her

Viele Altenbekener restlos sauer - Kann Bärenschweiß die Tiere verjagen?

Von Karl Pickhardt
Altenbeken (WV). Wolf- und Bärenschweiß soll die Fressgier des Rehwildes am Altenbekener Friedhof stoppen. Die Überfälle der Tiere im Winter und Frühjahr sind mittlerweile zu einer echten Plage geworden. Rehe machen sich in Rudeln über Blumen, Kränzen und Pflanzen auch auf frischen Gräbern her. Ein so genannter Duftzaun mit Schweißgeruch von Wolf, Bär und Mensch soll das Rehwild vom Friedhofsbesuch abhalten.

Die Verwüstungen haben in Altenbeken mittlerweile schlimme Ausmaße genommen und sorgen für erheblichen Unmut in der Bevölkerung. Inzwischen hat sich um Herbert Bergmann (71) und seine Ehefrau Dr. Anita Schafmeister-Bergmann (68) sogar eine Bürgerinitiative gebildet, die der Gemeindeverwaltung Untätigkeit vorhält. »Für die Beleuchtung einer Lokomotive ist Geld da, für einen anständigen Zaun jedoch nicht«, schimpft Bergmann. Immer wieder stünden trauernde Angehörige vor frischen Gräbern, deren grüner Grabschmuck und Blumen schon nach wenigen Stunden von den hungrigen Rehen aufgefressen seien. »Auf dem Friedhof sind manchmal mehr Rehe als Besucher«, weiß Biologin Anita Schafmeister-Bergmann.
Die Gemeindeverwaltung hat einen Zaun um den Friedhof gesetzt, der aber an seinen Eingängen Lücken enthält. Das Rehwild spaziert aus dem Eggewald offenbar seelenruhig durch die üblichen Eingänge - ungehindert von einem Zaun - auf den Friedhof am Viadukt. Der Zaun, so Herbert Bergmann, weise überdies Lücken auf. Problemlos fänden die Tiere einen Zugang zum Friedhof, der im Winter und Frühjahr auf Rehe die magische Anziehungskraft eines gut gedeckten Tisches ausübt.
Mit einer kompletten Einzäunung und Toren, die nur Menschenhand öffnen können, sei das Problem in den Griff zu bekommen, heißt es in der Bürgerinitiative. Dies lehne jedoch die Gemeinde wohl aus Kostengründen ab. »Dafür sammeln die lieber 7500 Euro für eine Lok-Beleuchtung«, ärgert sich Herbert Bergmann.
Seit Jahren wächst der Ärger. Jetzt hat die Bürgerinitiative eine Dienstaufsichtsbeschwerde über Bürgermeister Hans Jürgen Wessels beim Landrat eingereicht. Mehrere Dutzend Unterschriften auf mehreren Seiten belegen den Zorn in der Bevölkerung über den Wildverbiss und Schaden auf dem Friedhof. Einige wollen gar Regress verlangen. Landrat Manfred Müller hat die Beschwerde zurückgewiesen, weil er keine Untätigkeit der Gemeinde erkennen könne. Der Rat habe sich in mehreren Ausschüssen mit dem Wildverbiss auf dem Friedhof befasst und zuletzt ein Duftzaunsystem beschlossen.
»Das haben die im Februar entschieden, aber bis heute sehe ich nichts von diesem Duftzaun«, kritisiert Herbert Bergmann. So seien die Rehe wieder rudelweise im März, April und Mai über den Friedhof hergefallen. Hinweise des Bürgermeisters, das Rehwild im nächsten Winter außerhalb des Friedhofes zu füttern, hält Bergmann eher für einen Witz. »Das Füttern der Rehe außerhalb des Friedhofs ist in dieser Höhenlage nach dem Jagdgesetz gar nicht erlaubt«, weiß Bergmann.
Der Duftzaun, der sonst an Autobahnen Rehwild stoppen soll, werde im kommenden Winter angebracht, heißt es im Rathaus. Dieser Duft aus Bären- und WolfSchweiß verliert nach etwa vier Wochen seine Wirkung und muss regelmäßig erneuert werden.
Bürgermeister Wessels bleibt skeptisch, ob der Duftzaun überhaupt helfe und die Tiere verduften. Die hungrigen Rehe wüssten seit Jahren, dass auf dem Friedhof etwas zu holen sei. Wessels: »Diese Kenntnisse geben sie an ihre Kitze weiter«.

Artikel vom 03.08.2006