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Bestens belegt:
Mehr als 6800
Gäste pro Jahr

Kreisjugendheim und Jugendherberge

Rödinghausen (jp). Es ist nur ein schlichtes »Dankeschön«, gemalt auf weißem Papier, umrandet mit einem roten Buntstiftherzen, das Axel Gocke von dem zwölfjährigen blonden Mädchen aus Belinitschi, Weißrussland, überreicht bekommt. Der Leiter des Jugendheims des Kreises Herford in Rödinghausen weiß solche Gesten zu schätzen.

»Bitte haben Sie noch einen Moment Geduld!« Diese Formulierung hat sich bei Axel Gocke (38) in den letzten Wochen zu einem Automatismus entwickelt. Es ist Sommer, Hochsaison im Rödinghausener Kreisjugendheim. Gerade noch im Gespräch mit dem Reiseleiter, dann sofort weiter durch die mit roten Kacheln gefliesten, gerade in den Sommermonaten angenehm kühl wirkende Eingangshalle des Heimes, weiter in einen der Aufenthaltsräume im Haupthaus. Hier und da stehen Reisetaschen auf den Fluren, die zu Einzel-, Vier- und Sechsbettzimmern führen. Gocke wird schon erwartet. Es ist die Reisegruppe aus Weißrussland, rund 30 Kinder aus der Nähe von Tschernobyl, die noch an diesem Tag abreisen wollen und sich mit Tänzen und Gesang bei ihrem Herbergsvater bedanken möchten. Das Buntstiftherz wird übergeben, Händeschütteln und zurück ins Büro.
Jetzt ist es 13 Uhr, schon eine kleine Schlange erwartungsvoller Kinder hat sich vor der Tür des Heimleiters versammelt. »Mach doch endlich den Kiosk auf, wir wollen Süßigkeiten«, würden sie wohl am liebsten sagen. Aber ihre »Grundversorgung« mit sauren Stangen und Haribo-Fröschen verzögert sich an einem Tag wie heute um einige Minuten. Gerade will Gocke über sich, seinen Berufsalltag und die Kreisjugendherberge erzählen, stehen schon die nächsten Gäste in der Tür.
Und davon gibt es viele. Mehr als 6800 Gäste wurden im vergangenen Jahr gezählt. Das Heim schreibt Belegungszahlen, von denen viele Hoteliers nur träumen können.
Die Frage nach dem Alltag Gokes hat sich schon längst geklärt. »Alltag - so etwas kenne ich nicht«, sagt Gocke, der das Kreisjugendheim seit drei Jahren leitet. Zuvor machte er Erfahrungen als Gastwirt, Konditor und Koch. Seine Tätigkeitsfelder heute: Personalplaner, Gärtner und Hausmeister. Zusammen mit zwölf Mitarbeitern (meist Teilzeitkräfte) und einem Zivi gilt es, den »Laden in Schwung zu halten«, im Sommer bis zu 1000 Gäste pro Monat durch die Einrichtung des Kreises, die auch Mitglied im Deutsche Jugendherbergswerk (DJH) ist, zu betreuen. Wanderer, Sportvereine und Reisegruppen aus dem Ausland gilt es zu betreuen. Während im Sommer die Belegung überwiegend selbstständig vom Jugendheim vorgenommen wird, übernimmt vom Herbst bis ins Frühjahr der Kreis Herford als Träger des Jugendheims diese Aufgabe. Dann werden - zumindest im Wochenbetrieb - ausschließlich Schülergruppen im Rahmen von »Schulklassen-Gemeinschaftswochen« untergebracht.
Probleme gibt es mit den Gästen in den seltensten Fällen. » Geändert haben sich laut Gocke lediglich die Ansprüche vieler Gäste. Wo in den vierziger Jahren noch eine kleine Scheune stand, in der Jugendliche im Stroh übernachten konnte, steht heute ein ganzer Hotelkomplex. Großzügige Außenanlagen mit Fußballplatz, Grillfläche und Tischtennisplatte sind ebenso vorhanden wie eine Mehrzweckhalle. Gemosert wird hin und wieder darüber, dass es überwiegend Etagenduschen für die Mehrbettzimmer gibt, Duschräume. In den Einzelzimmern für Betreuer gibt es eigene Nasszellen. »In vielen Jugendhäusern, die dem DJH angeschlossen sind, gehört eine Dusche auf jedem Zimmer schon heute zum Standard«, meint Gocke. Andererseits: Bei den vergleichsweie günstigen Preisen (Vollverpflegung für Erwachsene 21 Euro, für Kinder und Jugendliche 18,70 Euro) scheint der Ruf nach Hotel-Standards ein wenig zu anspruchsvoll.

Artikel vom 04.08.2006