09.09.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Kriminell erfolgreicher Verleger

Erfinder der Lokal-Krimis kommen aus Dortmund

Von Katrin Pinetzki
Dortmund (dpa). Mit dem »Ekel von Datteln« fing alles an. »Dieses Buch hat das Genre der Lokal-Krimis begründet«, sagt Rutger Booß.

Der Chef des kleinen Dortmunder »grafit«-Verlages sitzt in seinem Büro, umgeben von Büchern in meterhohen Regalen, in denen Mord und Totschlag, Leichen und Leidenschaften zu Hause sind: Booß verlegt als vermutlich einziger Verleger in Deutschland ausschließlich Kriminalromane. Die meisten haben Tatorte aus dem wahren Leben: Sie spielen erkennbar in Münster oder Dortmund, der Eifel oder Zürich.
Schwarz sind alle »grafit«-Bücher, mit einem schmalen Bild auf dem Cover und dem Aufdruck »Kriminalroman«. Das war noch vor einigen Jahren keine Selbstverständlichkeit, erinnert sich Booß: »Viele Verlage schrieben verschämt Roman auf den Titel, wenn ein Krimi drin war.« Krimis hätten als minderwertige Lektüre gegolten. »Wir präsentieren Verbrechen! Zum Vergnügen! Dazu haben wir immer gestanden«, sagt Booß. Die Marktlücke für deutschsprachige Krimis besetzt der Verlag mit seinen sechs Angestellten und zwei Millionen Euro Umsatz im Jahr seit 17 Jahren erfolgreich. Seit 2000 ist der »grafit«-Verlag Marktführer auf diesem Gebiet.
Zu den Erfolgsautoren des Verlags gehören Jürgen Kehrer, dessen Wilsberg-Krimis vom ZDF verfilmt wurden, und Jacques Berndorf. Seine bislang zwölfteilige Serie aus Eifel-Krimis verkaufte sich bislang drei Millionen Mal und landet regelmäßig in den Bestseller-Listen - für Verleger Booß der beste Beweis dafür, dass gute Lokal-Krimis in ganz Deutschland funktionieren. »Einige Autoren glauben aber, es reiche, wenn ein paar bekannte Plätze und regionale Skandälchen auftauchen«, sagt er. Unter den 500 Manuskripten, die sein Verlag im Jahr zugeschickt bekommt, seien oft nur zwei, drei Entdeckungen. »Wir setzen auf den Trüffelschwein-Effekt«, sagt Booß.
Groß angelegte Werbekampagnen kann Booß seinen Autoren nicht bieten - wohl aber individuelle Betreuung. »Der Verleger steht auch sonn- und feiertags bei allen Problemen zur Verfügung«, sagt Booß und grinst. Manchmal sind die Probleme auch juristischer Art: »Weil tatsächliche Schauplätze beschrieben werden, glauben viele Leute, dass es die beschriebenen Figuren tatsächlich gibt«, sagt Booß. Schon zwei Mal sei der Verlag deshalb verklagt worden, bisher habe man immer gewonnen. Dem Verkauf schadet das nicht.
Das »Ekel von Datteln« etwa, ein Roman über einen Provinzfürsten, sei in Datteln nicht erhältlich gewesen: Der reale Bürgermeister der Kleinstadt glaubte, sich in dem »Ekel« wiederzuerkennen. Wohl gerade deshalb machte der Roman auch in Datteln Furore.
Der 250. Krimi aus dem Hause »grafit« stammt übrigens wieder aus der Feder von Jürgen Pomorin, der unter dem Pseudonym Leo P. Ard auch das »Ekel von Datteln« mitverfasste. »Der letzte Bissen« ist die Vision einer nach BSE, Vogelgrippe und Schweinepest fleischlos lebenden Gesellschaft, in der der Handel mit illegalem Fleisch blüht.

Artikel vom 09.09.2006