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Umzug für eine Lehrstelle

Anreise aus Sachsen-Anhalt

Von Stephan Rechlin
Kreis Gütersloh (WB). Dominique Heidger nimmt für ihren Ausbildungsplatz in Gütersloh mehr als 270 Kilometer Anreise in Kauf. Die junge Frau aus Sachsen-Anhalt hat sich hier eine Wohnung gesucht, um bei der Karl Brand GmbH zur Kauffrau im Groß- und Außenhandel ausgebildet zu werden.

Sie ist eine von neun Auszubildenden, die gestern im Fachgroßhandel für Gebäudetechnik an der Robert-Bosch-Straße ihren »ersten Tag« in einem Wirtschaftsunternehmen erlebten. Mehr als 1500 junge Menschen, die im Kreis Gütersloh nach einem Ausbildungsplatz suchen, verbrachten den Tag gestern dagegen vorm Fernseher, in der Badeanstalt, bei der Agentur für Arbeit oder irgendwo auf der Straße. Trotz aller Förderprogramme gibt es für sie nichts zu tun.
3061 Bewerbern stehen laut Agentur derzeit 1655 Stellen gegenüber. Trotz allgemein günstiger Rahmenbedingungen auf dem Arbeitsmarkt meldete die Agentur gestern einen Anstieg der Arbeitslosigkeit bei Leuten, die jünger als 25 Jahre sind. Sie stehen nach dem Schulabschluss auf der Straße - oder nach ihrer abgeschlossenen Ausbildung. Um die Ausbildungsquote zu verbessern, nehmen die Behörden eine Menge Geld in die Hand.
Der Kreis vergütet ab sofort hundert zusätzlich geschaffene Ausbildungsstellen mit 200 Euro pro Ausbildungsmonat - eine Initiative, die ihn in drei Jahren 720 000 Euro kosten wird. Daneben gibt es den »Ausbildungsscheck« der GT Aktiv GmbH, mit dem Ausbildungsplätze bezuschusst werden, die einem Arbeitslosengeld II-Empfänger angeboten werden. Drei von fünfzig geplanten Ausbildungsschecks wurden seit seit Mai ausgestellt. Die 5000 Euro hohe Förderung wird seit Juni durch zusätzliche Kreismittel auf 7200 Euro aufgestockt.
Über diese Summen kann sich Petra Goer, Personalchefin bei der Karl Brand GmbH, nur wundern: »Wir bilden aus, weil die eigenen Leute später die besten Mitarbeiter sind.« Bei der Auswahl bleiben die Lehrstellen im Lager für Hauptschüler reserviert. Nicht nur aus »sozialen« Gründen: »Wir haben gute Erfahrungen damit gemacht. Die jungen Leute sind froh, eine Chance zu bekommen. Und nutzen sie auch.«
Zusätzlich zum Berufsschultag - dessen Besuch streng überwacht wird - ist bei Karl Brand jeden Freitag-Nachmittag Seminartag. Dann müssen die Praktiker aus dem Haus ran und die »Neuen« unterrichten. Die Investition in den eigenen Nachwuchs lohnt. Von den elf Absolventen in diesem Jahr wurde alle übernommen. »Das ist sicher auch der Vorteil einer großen Fachhandelskette«, sagt Karl Brand.

Artikel vom 02.08.2006