01.08.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Jetzt soll es der böse
Masseur gewesen sein

Justin Gatlin setzt auf eine Verschwörungstheorie

Los Angeles (dpa). Das Team um Dopingsünder Justin Gatlin wirft den Rettungsanker und treibt eine obskure Verschwörungstheorie voran.

Ein Masseur soll die Beine des Olympiasiegers, Weltmeisters und Weltrekordlers über 100 Meter mit einer Testosteron-Creme eingerieben haben. Dies sagte Gatlins umstrittener Coach Trevor Graham der Tageszeitung »Washington Post«. Kurz vor dem Staffel- Rennen am 22. April in Kansas, bei dem Gatlin positiv auf Testosteron getestet wurde, soll der Masseur Ärger mit dem US-Superstar gehabt und sich so an ihm gerächt haben.
»Das ist ein Dreckladen. Da waren doch alle voll wie Pulle«, kanzelte Doping-Experte Werner Franke nicht nur dafür die Trainingsgruppe von Graham ab. »Da muss man sich wundern, dass man die noch nicht verurteilt hat«, meinte der Professor für Molekularbiologie an der Uni Heidelberg. Das körpereigene Hormon Testosteron, das nach Tour-de-France-Sieger Floyd Landis (USA) auch seinem Landsmann Gatlin zum Verhängnis wurde, ist keineswegs eine neue »Modedroge«, sagte Franke gestern »Im BALCO-Labor haben sie doch längst die perfekte Mischung entwickelt - 'the cream'. Das ist eine Testosteron-Salbe, da kann keiner irgendetwas nachweisen. Da gibt es bei einem Test keine Auffälligkeiten.«
Bei Gatlin schon. Also doch keine »saubere« Salbe? Auf jeden Fall ist etwas schief gelaufen, denn der Testosteron/Epitestosteron- Quotient des 24-Jährigen war sowohl in A- als auch in der B-Probe unzulässig hoch. »Man weiß doch, was bei BALCO alles benutzt wurde. Dem hätte man viel früher auf die Schliche kommen müssen«, betonte Franke. Der Quotient zwischen dem körpereigenen Sexualhormon Testosteron und dem Abbauprodukt Epitestosteron beträgt im Normalfall 1:1, manchmal 2:1 - ab 4:1 ist es schlicht und einfach Doping.
»Wir wissen, wer der Täter ist und hoffen, dass er den Mut hat, sich zu stellen. Justin und ich sind total am Boden zerstört und werden alles in unserer Macht stehende tun, um seine Unschuld zu beweisen«, erklärte Graham. Als er damals während der angesprochenen Massage ins Zimmer kam, habe der Masseur eilig eine weiße Creme-Dose versteckt.
Als Wiederholungstäter droht Gatlin eine lebenslange Wettkampfsperre durch den Weltverband IAAF, er klammert sich an den letzten Strohhalm: Noch in dieser Woche muss er bei der Anhörung durch die Anti-Doping-Agentur der USA (USADA) Beweise vorlegen, um seine Unschuld zu beteuern. Wird die Höchststrafe bestätigt, bleibt dem gefallenen Star nur noch der Gang vor den Internationalen Sportgerichtshof (CAS) in Lausanne.
»Er muss lebenslang gesperrt werden«, forderte Richard Pound, der Chef der Welt-Antidoping-Agentur WADA. Die ständigen halbherzigen Unschuldsbeteuerungen nach dem Motto »Ich weiß nicht, wie diese Ergebnisse zu Stande kommen« werden Gatlin nicht helfen.

Artikel vom 01.08.2006