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Schauriges und Populäres

12. Drehorgeltreffen im Safaripark - Passende Kleidung gehört dazu

Von Matthias Kleemann
(Text und Fotos)
Schloß Holte-Stukenbrock (WB). Wenn Blut fließt, und es so richtig schaurig wird, dann ist es eine Moritat. Vorzugsweise zu Drehorgelklängen werden in heutiger Zeit solche Moritaten vorgetragen.

Maria und Friedbert Hipp aus Weingarten am Bodensee haben sich den Moritaten verschrieben. Die werden nicht nur gespielt und gesungen, nein, das Publikum wird auch mit grausigen Bildern nicht verschont, auf denen das Verbrechen in allen Farben und Fassetten dargestellt wird. »Die Moritaten-Sänger waren die Vorläufer der Bild-Zeitung«, meint Maria Hipp. Seit 15 Jahren spielt das Ehepaar Drehorgel, beim 12. Drehorgeltreffen im Zoo Safaripark am vergangenen Wochenende sind die beiden jedoch zum ersten Mal dabei, ebenso wie ein weiteres Ehepaar aus Weingarten, Gabi und Erich Segelbacher. In ihrer Heimatstadt wurde bereits zweimal die Jahreshauptversammlung der Clubs der deutschen Drehorgelfreunde ausgerichtet, gute Kontakte pflegen die Drehorgelspieler in die Patenstadt Grimma in Sachsen, der man mit einem Benefizfest finanziell unter die Arme greifen konnte, als die Stadt von einem Hochwasser betroffen war.
Keiner der 55 Drehorgelspieler, die am Wochenende an allen Ecken der Vergnügungsparks auftraten, verzichtet auf ein individuelles Äußeres. Ingrid Patzer aus Wuppertal ist zum Beispiel die Gänseliesel und hat dazu auch eine Geschichte parat: Als die Wupper vor zwölf Jahren durch einen Chemieunfall vorübergehend vergiftet war, kehrten als erstes die Gänse zurück und zeigten so, dass der Fluss wieder sauber war. Die Gänseliesel hat ihre Drehorgel entsprechend dekoriert, und eine der Gänse kann sogar Wasser spucken - zur Überraschung der Zuhörer. Auch ihre Repertoire ist von ihrer Heimatstadt geprägt: Sie singt Wuppertaler Lieder. Das sind häufig bekannte Lieder, aber eben andere Texte. Zum Beispiel über Tuffi, den Elefanten, der aus der Schwebebahn fiel. Das Lied singt sich nach der Melodie »Schön ist ein Zylinderhut«. »Da kann das Publikum den Refrain mit singen: Juppheidie, juppheida«, berichtet Ingrid Patzer.
Dieter Lehnert und seine Frau Marianne aus Oer-Erkenschwick treten am liebsten zusammen auf, er mit einer 38er Hofbauer mit Percussion, sie mit einer 37er Hofbauer. Die Drehorgeln sind über 30 Jahre alt und vom Hersteller modernisiert, die Orgelpfeifen und Schlaginstrumente werden elektronisch gesteuert. Und so ist der Zahl der Stücke - vom Kirchenlied bis zum Rock'n'Roll, keine Grenze gesetzt. Am liebsten geben die beiden aber populäre Schlager zum Besten.
Dagegen spielen Frerich und Theda Kramer sowie Gerold Bülthoff und Rudolf Poppinga am liebsten klassische Musik: Opern-, Operetten- und Musical-Melodien, Bach, Beethoven und Mozart. Dabei kommt das Quartett aus dem hohen Norden, aus Rauderfehn bei Leer, Wilhelmshaven und Emden-Himte. So maritim, wie die Drehorgeln dekoriert sind, sollte man meinen, Shantys wären das Lieblings-Repertoire der Vier. Aber damit liegt man falsch. »Wir tingeln seit zehn Jahren durch ganz Europa«, sagt Frerich Kramer. Gerade erst war die Truppe in Toulouse in Südfrankreich, um einem großen Fest mit Automobil-Oldtimern und Heißluftballons eine musikalische Note zu verleihen. »Die Franzosen sind vernarrt in die Drehorgel-Musik«, erzählt Kramer. Das Quartett hat CDs und Videos im Angebot. Da ist eine Aufnahme bei, bei der Stars der Semperoper zu den Drehorgeln der vier Nordlichter singen.

Artikel vom 31.07.2006