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Schaurig-schöne Literatur
meisterlich vorgetragen

»Grüße aus der Schattenwelt« mit Frank Suchland

Oberbauerschaft (WB). Keine Glocke, die die Geisterstunde einläutet, kein Käuzchenruf, weder Sturmgeheul noch Blitzezucken. Ein lauschiger Sommerabend im Mühlenkreis? Weit gefehlt, denn wenn Frank Suchland »Grüße aus der Schattenwelt« ausrichtet, ist es mit der Seelenruhe vorbei.
Gleichsam ein »Zwei-Personen-Stück« boten am Samstagabend Stephan Winkelhake und Frank Suchland, der die Geschichten meisterlich vortrug. Foto: Cornelia Müller
Die sonst so idyllische Rossmühle in Oberbauerschaft war der ideale Rahmen für diese »Literarische Begegnung« mit Klassikern der Horrorliteratur, die der Kreis Minden-Lübbecke dort am späten Samstagabend veranstaltete. Der Lichttechniker Hakan Giese, der während des diesjährigen LandArt-Festivals auch den Fernsehturm und das Kaiser-Wilhelm-Denkmal an der Porta Westfalica in neuem Licht erscheinen lässt, hatte die Mühle effektvoll in Szene gesetzt, so dass sie sich - mal in fahles grünes, mal in blutrotes Licht getaucht - unwirklich und bedrohlich gegen den Abendhimmel abzeichnete.
Im Innern der Mühle, dort, wo früher die Pferde unablässig im Kreis trotteten, dagegen nur sparsame Beleuchtung und unheimliche Schatten. Gebanntes Schweigen, während Frank Suchland schaurig-schöne Geschichten von Guy de Maupassant, Charles Dickens, Edgar Allen Poe und anderen las. Geschichten vom Tod und von Toten, von düsteren Vorahnungen, Wahnsinn und seltsamen Erscheinungen, von Meistern dieses Genres meisterlich erzählt. Und meisterlich vorgetragen: Frank Suchland gab dem Wahnsinn, der Angst, dem Entsetzen oder der Trauer, von denen die Geschichten handelten, Stimme und Gesicht und fesselte seine Zuhörer von der ersten Minute an. Eine Lesung? Mehr als das, beinahe schon ein echtes Ein-Personen-Stück.
Oder eigentlich: ein Zwei-Personen Stück. Denn der Pianist Stephan Winkelhake, der Frank Suchlands Lesung am E-Piano begleitete, trug nicht wenig zu diesem großartigen Abend bei. Zu jeder Szene fand er die passende musikalische Untermalung und den richtigen Klang. Ohne billige Effekte, sondern unauffällig und verhalten, gerade deswegen aber besonders eindringlich, sorgte er für Gänsehaut-Atmosphäre.
Gerade noch rechtzeitig, eine gute halbe Stunde vor Mitternacht, verabschiedeten sich Suchland und Winkelhake mit einer sehr, sehr schwarzen Erzählung von E.W. Heine von ihrem Publikum und entließen es in die Nacht - mit verstörenden und faszinierenden »Grüßen aus der Schattenwelt«. Cornelia Müller

Artikel vom 31.07.2006