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»Habe vor Schmerzen geschrien«

Für Lena Gößling geht es nach der Verletzung bergauf - Wechsel in die Bundesliga

Von Moritz Winde (Text und Fotos)
Löhne-Obernbeck (BZ). Es ist das letzte Saisonspiel: Gütersloh gegen Wolfsburg. Ein harmloser Zweikampf. Plötzlich liegt Lena Gößling am Boden, bleich im Gesicht, laut schreiend vor Schmerzen. Mit Blaulicht geht es ins Krankenhaus. Die Diagnose: Arm ausgekugelt, Bänder gerissen, Knorpel kaputt. Heute, acht Wochen nach dem Unfall, kann die Fußballerin wieder lachen.
Diese zehn Zentimeter lange Narbe erinnert Lena Gößling immer an den schweren Sportunfall.

Die Operation hat die 20-Jährige gut überstanden. Eine zehn Zentimeter lange Narbe auf dem Unterarm lässt sie den unsanften Sturz nie vergessen. »Mein neues Markenzeichen«, sagt sie und schmunzelt. In ihrem Körper hat die Obernbeckerin noch dicke Metallschrauben und Schienen, die den Ellenbogen stabilisieren.
Lena Gößling hat die schwerste Verletzung ihrer jungen Karriere jedoch gut überwunden. Sie blickt nicht zurück auf die harten Wochen. »Ich freue mich auf meine neue Herausforderung«, sagt sie und lässt das runde Leder drei, vier Mal auf dem rechten Fuß tanzen.
Am 1. August tritt sie ihren Job beim Erstligisten SC 07 Bad Neuenahr an, wo sie einen Zwei-Jahres-Vertrag unterzeichnet hat. Trainiert wird sie von der ehemaligen Nationalspielerin Sandra Minnert. Lena Gößling, die beim SV Löhne-Obernbeck gemeinsam mit Zwillingsbruder Arne das Fußballspielen im Alter von neun Jahren erlernt hat, lässt ihre Heimat ungern hinter sich. »Ich habe mir die Entscheidung nicht leicht gemacht und lange mit mir gerungen. Ich will mich sportlich aber verändern«, sagt sie ein wenig wehmütig. Fünf Jahre hat sie beim FC Gütersloh 2000 gespielt. Mit der Mädchenmannschaft wurde sie Deutscher Meister. Mit den Frauen schaffte sie den Aufstieg in die zweite Bundesliga. Mit ihrem neuen Verein will die defensive Mittelfeldakteurin hoch hinaus. Für den Traum vom Erfolg verzichtet Lena Gößling auf viele Dinge. »Besonders meine Familie und meine Freunde werde ich vermissen«, sagt sie und seufzt tief. Bei vier Trainingseinheiten pro Woche plus Ligaspiel am Sonntag werde kaum Zeit bleiben, um die rund zweistündige Autofahrt nach Löhne auf sich nehmen zu können. Die junge Frau macht sich daher keine Illusionen.
Bei der Wohnungssuche wurde sie vom SC 07 Bad Neuenahr unterstützt. »Ich habe eine schicke Wohnung in Sinzig, einem kleinen Vorort. Ich freue mich auf den Umzug und habe keine Angst davor«, sagt die Einzelhandelskauffrau. In einem Sportgeschäft in der Nähe von Bonn wird sie ihre Ausbildung beenden können. Es sei ihr wichtig, neben dem Fußball, einen anständigen Beruf zu erlernen. Denn das Kicken soll nach wie vor Hobby bleiben. »Ich habe durch den Sport zwar einen guten Nebenverdienst, davon leben kann ich aber nicht«, sagt Lena Gößling, die Angebote vom MSV Duisburg und dem VfL Wolfsburg abgelehnt hat.
Neben einem guten Start beim Frauenteam Bad Neuenahrs hofft die Obernbeckerin, mit der U-20-Nationalmannschaft im August in Russland Weltmeister zu werden. Mit der U-17 ist ihr dieser große Coup bereits geglückt. Seit vier Jahren trägt sie den Bundesadler auf der Brust und ist stolz für Deutschland auflaufen zu dürfen. »Wenn die Nationalhymne erklingt, bekomme ich jedes Mal eine richtige Gänsehaut«, sagt sie. Genau dies seien für die Sportlerin die Momente, für die sich all die Strapazen lohnten.

Artikel vom 01.08.2006