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Das Wort zum Sonntag

 Von Jürgen Giszas, Pfarrer im Kirchenkreis Lübbecke


Liebe Leserin und lieber Leser. Mögen wir uns noch so wohl gefühlt, uns bestens erholt haben: Irgendwann verabschieden wir uns selbst vom aufregendsten Urlaubsort. Und kehren wir dann auch ins Alltägliche zurück: Es ist und bleibt ein ebenso gutes Gefühl, wieder nach Hause zu kommen.
Nach so etwas wie Heimat sehnen sich ja die meisten von uns, wünschen sich einen Anlaufpunkt, einen Hafen, der gleichermaßen Geborgenheit und Sicherheit bietet. Und selbst jene, die es immer wieder an ferne Gestade zieht, tragen doch auch ein Bild von Heimat in sich - nur dass es geographisch weiterreicht: Die Welt an sich, so sagen sie, sei ihr Zuhause. Im Nirgendwo verloren gehen, das möchte halt niemand.
Die Frage, wie wir in dieser Welt verankert sind, hat auch immer wieder Dichterinnen und Dichter zu Wortbildern bewogen. So schreibt etwa die jüdische Lyrikerin Rose Ausländer: »Du schwimmst / auf dem Meer / der Unendlichkeit / Glückt es dir / eine Küste zu erreichen / wird ein Stückchen Erde / deine Heimat.«
Angedeutet ist hier die schmerzliche Erfahrung, dass es in unserer Wirklichkeit keine Garantie gibt auf ein unverbrüchliches Zuhause.
»Die erste Wohnung: der Mutterleib«, notiert der Pfarrer und Schriftsteller Kurt Marti und fügt hinzu: »Miete braucht keine entrichtet zu werden.« Später dann aber scheint uns Heimatlosigkeit ins Lebensprogramm geschrieben. Denn auch wenn wir selbst Vater oder Mutter geworden sind, einen Baum gepflanzt und ein Haus gebaut haben, treibt dich und mich doch nach wie vor eine geheimnisvolle Sehnsucht um. Und die schlägt sich nicht zuletzt nieder in einer bisweilen so unbestimmten Verdrossenheit.
Die Bilder von unserem Hiersein, welche die Bibel malt: Sie sehen uns eher als Vorübergehende, erzählen von der Vorläufigkeit unseres Daseins in dieser Wirklichkeit. In den Psalmen des Ersten Testaments betet einer zu Gott: »Ich bin ein Gast bei dir, ein Fremdling wie alle meine Väter« (Psalm 39,13). Und der Hebräerbrief im Neuen Testament beschönigt auch nichts in Sachen Heimatsuche: »Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir« (Hebräer 13,14).
Diese ehrliche Bestandsaufnahme klingt zunächst ernüchternd - aber sie ist nicht ohne Hoffnung. Weil unsere Suche nach Heimat nicht endlos bleiben muss - und auch nicht ohne Ergebnis. Im Epheserbrief findet sich nämlich ein Mutmachwort für Heimatsuchende - und so lautet es: »So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen« (Epheser 2,19).
Ein starkes Versprechen: Unser derzeitiger Gästestatus ist nicht auf Dauer angelegt; vielmehr sind wir schon jetzt ausgerichtet auf das Land des Himmels, auf Heimat bei Gott. Grad das aber macht das Dasein so ungemein spannend und verschafft uns Lebensmut ohnegleichen: dass wir zwar noch Gäste sind - aber doch schon mit Gott unter einem Dach, seine Mitbürgerinnen und Mitbürger. Und wieder dürfen wir wissen: »Miete braucht keine entrichtet zu werden«
Noch einmal Rose Ausländer: »Du schwimmst / auf dem Meer / der Unendlichkeit / Glückt es dir / eine Küste zu erreichen / wird ein Stückchen Erde / deine Heimat.« - Keine Frage: In diesem Wortbild kommt ein wichtiges Stück Lebenserfahrung zur Sprache. Aber eine andere Wahrheit greift noch viel tiefer! Ob du nun nach getaner Arbeit in deinem Wohnzimmersessel zur Ruhe kommst - oder auch mit viel Leichtigkeit im Herzen an einem fernen Strand spazieren gehst: In jedem Augenblick deines Hierseins bist du gut aufgehoben in der Liebe Gottes - und darum auch allezeit zuhause

Artikel vom 29.07.2006