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Experten machen Messer sichtbar

Endlich steht der »Kickbox-Mord« vor der Aufklärung - Neues Urteil Ende August

Von Wolfgang Wotke
Gütersloh/Darmstadt (WB). Rechtsanwalt Eliyo Cetin aus Gütersloh ist sich jetzt sicher: »Die Täterschaft ist zweifelsfrei festgestellt worden.« Damit dürfte der »Kickbox-Mord« von Wiesbaden (wir berichteten) endgültig vor der Aufklärung stehen.

Am 12. April 2004 war es im Rahmen eines Kickbox-Turniers in Egelsbach (bei Wiesbaden) zu einer Massenschlägerei zwischen Sportlern und Betreuern gekommen. Ali Senel (38), Ex-Kickbox-Welt- und Europameister aus Gütersloh, wollte den Streit im Ring schlichten. Dabei wurde er von einem Mann während des Handgemenges mit einem Messerstich ins Herz tödlich verletzt. Ein zweiter Stich traf die Lunge. Einige Wochen später nahm die Kripo den Türken Abidin Ü. (33) in seiner Wohnung in Wiesbaden als Tatverdächtigen fest. Die Ermittler waren ihm anhand von Videoaufzeichnungen und anonymen Zeugenaussagen auf die Spur gekommen. Der mutmaßliche Täter wurde in einem Indizienprozess zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Im Dezember hatte die Revision seiner Verteidiger Erfolg. Der Bundesgerichtshof (BGH) hob das Urteil des Landgerichts Darmstadt auf und verwies im Januar den Fall wieder zurück. Der BGH stützte sich in seiner Begründung auf ein beschlagnahmtes Video, das damals nicht richtig und detailliert ausgewertet worden sei.
Das holten jetzt die Foto-Spezialisten des Bundeskriminalamtes (BKA) Wiesbaden im neuen Prozess nach. Die Experten und Wissenschaftler nahmen einzelne Film-Sequenzen des beschlagnahmten Bildmaterials und machten in einem so genannten »Splining«-Verfahren das Messer, den Täter kurz vor der Tat und das Opfer sichtbar. Rechtsanwalt Eliyo Cetin, der die Witwe als Nebenklägerin vertritt, erklärt die Arbeit des BKA und das Ergebnis so: »Das schlechte Filmband , auf dem zu Anfang des Verfahrens kaum etwas zu sehen war, wurde künstlich mit Bits aufgewertet. Dabei erhöhte sich die Qualität des Videos um ein vielfaches. Einwandfrei kann darauf das Messer dem Täter zugeordnet werden. Das war vorher nicht möglich.« Offen sei nun die Verurteilung. War es Mord oder Totschlag? In der ersten Verhandlung haben die Richter Mordmerkmale aus niederen Beweggründen angenommen, diese aber nicht ausreichend begründet. »Das alles ist hochkompliziert, denn es müssen objektive Umstände vorliegen, die darauf schließen lassen, dass beim Angeklagten entsprechende subjektive innere Einstellungen während der Tat vorhanden waren«, versucht Cetin die Sachlage zu erklären. Eine Verurteilung sei für seine Mandantin ganz wichtig, »denn nur so bekommt die Leistungen in sechsstelliger Höhe vom Landesamt Hessen aufgrund des Opferentschädigungsgesetzes. Ali Senel, der in Gütersloh eine Sicherheitsfirma betrieb und sich auf Personen- und Objektschutz spezialisierte, hinterließ neben seiner Ehefrau noch drei Kinder.
Sollte der mutmaßliche Täter erneut eine lebenslange Haftstrafe (15 Jahre) bekommen, wird er nach Verbüßung von sieben Jahren, also knapp der Hälfte der Strafe, in die Türkei abgeschoben. Auch der Verurteilte, so Cetin, könne einen Antrag auf Abschiebung stellen. Das Urteil wird für Ende August erwartet.

Artikel vom 28.07.2006