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Mit Rasiermesser am Hals des Generals

»Stift« aus Schlesien stützt Friseur-Dynastie in Bad Lippspringe - Herbert Hoffmann seit 50 Jahren Meister

Von Karl Pickhardt (Text und Foto)
Bad Lippspringe (WV). Er hat auf Knien einen russischen General unter Lebensgefahr rasiert, ist vom Papst mit dem Orden »pro ecclesia« ausgezeichnet worden und hat in seinem Handwerk kriegsbedingt drei Lehrherren genossen. Friseurmeister Herbert Hoffmann (76), dem gestern in Bad Lippspringe der Goldene Meisterbrief überreicht wurde, steht für ein deutsches Schicksal.

Das kleine Friseurgeschäft in der Bielefelder Straße gehört zu den alteingesessenen Betrieben der Badestadt, der in den 50er Jahren für so manchen Bad Lippspringe noch »draußen in der Senne« lag. Der Damen- und Herrensalon hat mit starker Stammkundschaft im Gegensatz zu anderen auch den Kurgästeeinbruch im Heilbad überlebt und wird mit Tochter Stefanie Hoffmann (44) in dritter Generation geführt. In besten Zeiten arbeiteten in der Kurstadt 13, heute nur noch acht Salons.
Die politische Großwetterlage führte den gebürtigen Schlesier aus der Grafschaft Glatz als Vertriebener über Norddeutschland und Dortmund nach Bad Lippspringe, weil Kolpingbruder Hoffmann 1959 in einem Kolpingblatt unter den Stellenanzeigen die Gesellensuche von Friseurmeister Willy Lübbert ( ) aus Bad Lippspringe entdeckt hatte. Hoffmann erhielt nicht nur die Stelle und später einen eigen Betrieb, sondern mit des Meisters Tochter Marlies 1962 auch eine Ehefrau und Mutter seiner vier Kinder. Marlies Hoffmann (73) ist - seit 49 Jahren - ebenso wie Tochter Stefanie Friseurmeisterin.
Haareschneiden und Rasieren hat das jüngste von acht Bauernkindern im schlesischen Glatz gelernt - in einer Kaserne der Heeresnachrichtenschule. Herberts Vater war Pragmatiker: Seine Brüder wurden Tischler, Schneider, Schmied und Schuhmacher. Da fehlte zum vollkommenen Handwerksglück noch ein Friseur in der Familie. Der Obermeister der Innung lehnte eine Einstellung ab, weil der junge Herbert bei der Vorstellung die Mütze auf dem Kopf behalten hatte. So zog Herbert mit 14 Jahren als Friseur-Stift in die Kaserne ein und beglückte die deutschen Soldaten mit dem kurzgeschorenen »Hindenburgschnitt«.
Als die russische Armee nach dem Krieg die Kaserne bezog, wechselte Herbert Hoffmann den Lehrmeister. Pikant wurde es, als ein russischer General nach einer Rasur verlangte, sich jedoch niemand mit dem Messer an den Hals des Offiziers wagte. Einzig Herbert Hoffmann zeigte Mumm: So wurde der Lehrling auf einem Ponywagen zum General in die Kaserne gefahren und schaffte es auf Knien, dem auf dem Sofa liegenden ranghohen Militär verletzungsfrei zu rasieren. Zur Belohnung erhielt Herbert Hoffmann eine Mundharmonika. Beim Rasieren des Generals hatten Umstehende atemlos der Messerarbeit des Lehrlings zugeschaut.
Die Vertreibung aus Schlesien nach Twistringen bei Bremen brockte dem damals 16-Jährigen die dritte Stelle ein, bevor er nach bestandener Gesellenprüfung in Dortmund-Hörde 1956 den Meistertitel erwarb. In Bad Lippspringe übernahm Herbert Hoffmann 1962 nach der Hochzeit mit Ehefrau den Salon seines Schwiegervaters und sicherte damit die Friseurdynastie (seit 1924) der Familie. Bis 1995 bildete Herbert Hoffmann 14 Lehrlinge aus. Seither ist Tochter Stefanie Chefin im Salon.
Der Papst hat im Mai 2002 den engagierten Kolpingbruder Herbert Hoffmann mit dem Orden »pro ecclesia« ausgezeichnet.

Artikel vom 27.07.2006