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Paderborns heißeste Jobs: zur Kühlung ab in die Sonne

Frittenschwenker und Krapfenbäcker arbeiten auch bei 90 Grad

Von Hubertus Hartmann
(Text und Fotos)
Paderborn (WV). 33 Grad Außentemperatur - während Libori unter der Gluthitze ächzt, wendet Thomas Rucharski lächelnd seine Reibekuchen im siedenden Öl. Der Mann, der bei mehr als 50 Grad täglich sechs Stunden an der Fettpfanne steht, geht zur Abkühlung in die Sonne.

Viele Paderborner verschieben den Kirmesbummel wegen der Hitze vorzugsweise in die Abendstunden. Doch die Standbetreiber und ihre Mitarbeiter müssen auch mittags ran. Ob Frittenschwenker, Kartoffelbräter, Würstchenverkäufer, Schinkengriller, Krapfenbäcker, Nudelkocher oder Mandelbrenner - sie alle machen in diesen Tagen einen »heißen Job«.
»Genau 38 Grad«, misst Jürgen Perl aus Bad Lippspringe in seinem Imbisswagen. Das Digitalthermometer zeigt die Arbeitstemperatur exakt an. »Das ist aber kein Problem, weil durch den Grill hier eine sehr trockene Warmluft herrscht«, sagt der Experte.
»Man gewöhnt sich daran«, meint auch Udo Osthold (46) aus Minden und schaufelt bei »ungefähr 55 Grad hinter der Pfanne« ohne einen Tropfen Schweiß auf der Stirn seine Champignons um.
Das Dauerhoch kann den Libori-Leuten die Laune nicht verderben. »Wir haben hier den Platz an der Sonne«, scherzen Petra (49) und Anja Thelen (43) in »Carlos Schinkengrill«. Die Temperatur vor dem Grill schätzen sie auf »80 bis 90 Grad«. Das könnte tatsächlich Paderborns heißester Arbeitsplatz sein.
Vielleicht findet man den aber auch ein paar Meter weiter. In der Reisebäckerei von Petra Duphert (43) aus Bielefeld steht Bäckermeister Michael Thannheiser (27), »bewaffnet« mit zwei Kisten Mineralwasser, täglich bis zu zwölf Stunden vor dem Ofen oder dem 120 Grad heißen Öl, in dem Berliner und Apfelkrapfen zischen. Das macht durstig. »Ich trinke täglich acht bis zehn Liter und schwitze alles wieder aus«, behauptet er. »Viele Kunden empfinden schon Mitleid mit ihm«, schmunzelt seine Chefin.
Da kann wohl wirklich nur »Reibekuchenschmied« Rucharski mithalten. »Die Stammkunden kommen trotz der Hitze«, berichtet Standbetreiber Ralf Lüdeke aus Stemwede. Viele ließen sich die Reibekuchen allerdings einpacken und freuten sich schon auf den Weihnachtsmarkt. Dann ist wohl eher Reibekuchenzeit. Lüdekes Mittel gegen die Wärme: »Viel trinken, hauptsächlich Wasser, aber ab und an auch mal ein Weizenbier - wegen der Vitamine«.
Wie in einer chinesischen Garküche fühlen sich Sabrina Deinert (24) und ihre Mitarbeiterin Xu Ying (22) hinter ihrem Wok mit Nudeln. Sie beschäftigt während der Liboritage fünf Chinesen, die in Paderborn studieren. »Ich mag den deutschen Sommer«, sagt Xu Ying lächelnd und gießt noch ein paar Spritzer scharfe Chilisoße extra in den Gusstopf. »Nudeln schmecken auch bei 33 Grad.«
Gebrannte Mandeln anscheinend auch. »Trotz des Wetters wollen die Leute am liebsten warme Mandeln«, hat der 69-jährige Willi Steiger festgestellt. Sie gehören ebenso zu Libori wie die Bratwurst. Und die brät auf traditionelle Art seit genau 49 Jahren auf dem Marktplatz Fleischermeister Gerhard Eifler (66) aus Bielefeld. Sein Schwiegervater Alfred Weber ist 1948 erstmals nach Paderborn gekommen. Seitdem hat sich an Webers Bratwurst praktisch nichts geändert. Sie wird, egal wie warm es draußen ist, immer auf Holzkohle gegrillt. Eifler beklagt allerdings schon einen spürbaren Umsatzrückgang.
Einen nicht minder schweißtreibenden Job hat Detlef Bober. Der 37-Jährige ist ein Schreckgespenst. In der Geisterbude von Manuela Burghard aus Hamm muss der Schaustellergehilfe mit Umhang und Gummigruselmaske die Leute erschrecken. »Länger als zwei bis zweieinhalb Stunden hält man es in der Montur keinesfalls aus«, stöhnt Bober. »Und das auch nur abends.« Danach geht's sofort unter die Dusche.
Die hat der 69-jährige Zeljco Tomac den ganzen Tag vor Augen. Sein Stand steht unter einer schattenspendenden Eiche, und die Spardusche duscht ohne Unterbrechung. Nur das Wasser, das die Pumpe aus einem Bottich pumpt, ist spätestens um 14 Uhr lauwarm. »Hätte ich das Fass tiefer gesetzt«, schmunzelt Tomac verschmitzt, »würden die Leute wohl reinsteigen.«
Libori ist eben eines der »heißesten« Volksfeste Deutschlands.

Artikel vom 28.07.2006