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Wenn Wasser zum Lebenselixier wird

Buchführung über Trinkmenge der Senioren - Im Sommer besonderer Kostplan im Kuhlo-Heim

Von Reinhard Kehmeier
(Text und Foto)
Löhne (LZ). »Es ist ein schweres Stück Arbeit, die Bewohner zum Trinken zu animieren«, räumt Monika Friedrichs ein, Pflegedienstleiterin des Eduard-Kuhlo-Heims, »das ist nicht so einfach, wie Essen anreichen.«

»Wir hoffen, dass es bald anders wird, langsam kommen wir an unsere Grenzen«, hat die Leiterin des Pflegedienstes die anhaltende Wärmeperiode mit Temperaturen jenseits der 30 Grad im Blick. Bislang habe es jedoch glücklicherweise noch keine Zwischenfälle, wie Kreislaufversagen, gegeben. Ohnehin seien gegenwärtig vor allem die Mitarbeiter bei der körperlichen Arbeit stärker gefordert als sonst.
Dafür, dass es bei den Bewohnern des 100-Betten-Hauses unter dem Gohfelder Kirchturm nicht zu Hitzeschäden kommt, sorgt vor allem die ausreichende Flüssigkeitszufuhr.
»Wir führen seit Jahren Bilanzbögen, was jeder Bewohner, wann und in welcher Menge trinkt«, beschreibt Monika Friedrichs die Dokumentation für die persönliche Akte. Doch es hört sich leichter an, als es ist, die Bewohner mit den nach den Richtlinien geforderten 2000 Milliliter Flüssigkeit täglich zu versorgen.
»Früher wurde getrunken, wenn man Durst hatte. Dann ging man an den Wasserkran. Aber das Durstgefühl verschwindet im Alter. Das heißt, wir müssen unsere Senioren immer wieder zum Trinken animieren«, sagt Friedrichs. »Und das geschieht auf vielfältige Weise.«
Entscheidend ist der ausgeklügelte Speiseplan, eine Gemeinschaftsarbeit von Küche, Hauswirtschaftsleitung und Pflegemitarbeitern. So gibt es immer wieder Zwischengetränke und -mahlzeiten zwischen Frühstück, Mittagessen und Abendbrot. Dann werden auch Milchsuppen angeboten. Tagsüber auch zusätzlich Yoghurts oder Eis bei den gegenwärtigen Temperaturen, viel frisches Obst, Kompotte und zwei- bis dreimal in der Woche eine Kaltschale. »So holen wir gut und gern 300 Milliliter am Tag heraus.« Bei jenen, die sich gern an der eisgekühlten Melone erfrischen, die jetzt häufiger angeboten wird, sicherlich noch mehr.
Wer nicht bettlägerig ist, kann sich stets an den Getränkeautomaten bedienen. Jeder hat Zugang zur Teeküche. Auch im Foyer des Eduard-Kuhlo-Heims steht bereits ein Getränkeautomat. Diese Möglichkeiten der Extraversorgung wird den Heimbewohnern nicht zusätzlich berechnet.
Sonderfälle bei Herz- und Nierenkranken und der für sie nötigen Versorgung werden mit dem Arzt besprochen.
»Wir müssen viele immer wieder daran erinnen, dass bei dieser Wärme das Trinken noch wichtiger ist.« Allerdings ist dies vor allem bei Demenzkranken ein Problem. »Es kommt vor, dass sie aggressiv reagieren und einer von ihnen uns den Becher aus der Hand schlägt«, nennt Monika Friedrichs die Schwierigkeiten beim Namen, »wir können niemand etwas mit Gewalt eintrichtern.« Da zwei Flaschen Wasser am Tag zu konsumieren, für ältere Menschen ohnehin illusorisch sei, versuche man mit Eintöpfen, Suppen und Kaltschalen, wie sie jetzt häufig im Gemeinschaftsraum auf dem Tisch stehen, Defizite abzubauen und gegenzusteuern. Und die Schwestern gehen auch zu den Mahlzeiten immer wieder mit Karaffen unterschiedlicher Getränke von Tisch zu Tisch.
Senioren, die allein zu Hause leben, werden wohl kaum derart umfassend mit Flüssigkeit versorgt, wie es notwendig wäre. Als Folgen stellen sich bei ihnen leichter Schwächegefühle ein, Kreislaufprobleme und auch zunehmende Verwirrtheitszustände. Hausärzte weisen ebenfalls auf die Gefahren der Dehydration, des Wassermangels, hin.
Es darf nicht vorkommen, dass jemand mit dieser Diagnose aus einem Seniorenheim ins Krankenhaus gebracht wird. »Das würde uns als Pflegefehler angerechnet«, erklärt Monika Friedrichs.
Die Richtlinien, Bestimmungen und Dokumentationen haben sich im Laufe der Jahre wesentlich verändert. Ein Pflegefehler bedeutet für die Kalkulation des Altenheims, dass die Krankenkassen nicht den Krankenhausaufenthalt bezahlen wollen und er dem Heim zugerechnet wird.
Auf jeden Fall gilt es bereits, bei dem im Krankenhaus geäußerten Verdacht viele Formulare auszufüllen. Auch aus diesen Gründen wird Wasser immer mehr zum täglich kontrollierten Lebenselixier in den Seniorenheimen.

Artikel vom 27.07.2006