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»Ich will nicht ins Gefängnis«

Gepöbelt, geschlagen und gedroht: 19-Jähriger vor Gericht

Von Verena Zimmermann
Höxter (WB). Gleich wegen vier Straftaten musste sich gestern ein 19-Jähriger aus Bad Driburg vor dem Amtsgericht in Höxter verantworten.

Der junge Mann hatte im April gemeinschaftlich mit zwei Freunden die Kennzeichen einer ehemaligen nationalsozialistischen Gruppe öffentlich verwendet. Außerdem wurden dem 19-Jährigen körperliche Misshandlung in zwei Fällen und das unerlaubte Führen einer Schusswaffe zur Last gelegt.
Tatort war die Jugendherberge in Bad Driburg. Dort schlug der Angeklagte offenbar grundlos einem Jugendlichen zweimal ins Gesicht. Vor dem Gebäude setzte sich die Schlägerei fort. Zwischen dem Angeklagten, seinen zwei Freunden und drei weiteren Opfern kam es zunächst zu einer wörtlichen, dann zu einer handgreiflichen Auseinandersetzung. Erneut teilte der Angeklagte kräftig aus und trat einem Opfer sogar in den Unterleib.
Ein Freund gab ihm dann eine Gaspistole, die der Angeklagte in zwei Meter Entfernung auf die Opfer richtete. Dabei sagte er: »Keinen Schritt näher, sonst knall ich euch ab.« Außerdem führte er gemeinsam mit seinen Freunden den Hitlergruß aus und brüllte ausländerfeindliche Parolen.
Der Angeklagte gab zu, die Opfer misshandelt und die Waffe auf sie gerichtet zu haben. Er bestritt jedoch die ausländerfeindlichen Parolen. Auch bestätigten mehrere Zeugen unabhängig voneinander, dass sie die körperlichen Misshandlungen an dem Tattag gesehen hätten.
Ein 49-jähriger Zeuge sagte aus, er habe gemeinsam mit zwei anderen Männern das Tor der Jugendherberge schließen wollen und sie seien dann von den Jugendlichen angepöbelt und angegriffen worden. Der 49-Jährige gab an, dass er mit der Pistole von dem Freund des Angeklagten bedroht worden sei. Er war sich jedoch nicht sicher, ob dieser die Pistole dann an den Angeklagten übergab.
Zudem berichtete er, dass der Angeklagte und seine Freunde gemeinsam faschistische Lieder gesungen hätten. Ein 35-jähriger Zeuge hatte die Gaspistole zwar nur bei dem Freund des Angeklagten gesehen, war sich aber sicher, dass der Angeklagte mehrmals ausländerfeindliche Parolen von sich gegeben hatte. Diese Version wurde von einem weiteren Zeugen bestätigt.
Der Angeklagte sitzt seit dem 7. Juli in Untersuchungshaft und war bereits wegen Diebstahl und Körperverletzung vorbestraft. Die für diese Straftaten verhängten Sozialstunden sowie die Sozialstunden wegen eines Bußgeldverfahrens, die sich insgesamt auf 105 Stunden belaufen, hatte der Angeklagte noch nicht abgeleistet und musste daher bereits Arrest wegen Ungehorsam antreten.
Der Angeklagte lebt bei seiner Mutter und seinem Bruder, sein Vater ist 2004 verstorben. Er hat keinen Schulabschluss und ist arbeitslos. In der Verhandlung zeigte der 19-Jährige Reue. Er meinte, er wolle nicht mehr ins Gefängnis zurück, sondern sein Leben ordnen. Zudem verkehre er nicht mehr mit seinen früheren Freunden, sondern verbringe seine Freizeit nur noch mit seiner Freundin. Auch entschuldigte er sich bei den Opfern.
Der Staatsanwalt forderte eine Jugendstrafe von neun Monaten, »die mit einigen Bedenken« zur Bewährung ausgesetzt werden könne. Der Staatsanwalt gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass die Untersuchungshaft den Angeklagten zum Umdenken angeregt hat.
Das Gericht unter Vorsitz von Richter Dr. Andreas Hohendorf verurteilte den Angeklagten zu einer Jugendstrafe von neun Monaten und 150 Sozialstunden. Die Haft wird zur Bewährung ausgesetzt. Zudem soll der 19-Jährige einen sozialen Trainingskursus absolvieren und einen Bewährungshelfer bekommen.

Artikel vom 27.07.2006