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Schinderhannes hütet Geheimnis

Das richtige Gewürz für Libori-Riesensteaks kennen nur drei Hunsrück-Brüder

Von Karl Pickhardt (Text)
und Wolfram Brucks (Foto)
Paderborn (WV). Nicht wenige Libori-Besucher kommen angeblich nur seinetwegen zum »Berg«. Der »Schinderhannes« ist der ungekrönte Fleisch-König vom Liboriberg. Ein hungriger Magen leidet Höllenqualen, wenn sich sein Besitzer an den 350 Gramm Steaks vom Schwenkgrill vorbeischieben will. Die Steakbraterei ist fast schon eine Institution beim Liborifest.

Seit mehr als 20 Jahren lässt die Familie Friedt aus dem Hunsrück Libori-Gästen das Wasser im Mund zusammen laufen: Zu verführerisch ist der Duft der imposanten Schweinesteaks auf dem Grill. Mit Liborifest, Herbstlibori, Lunapark, Weihnachtsmarkt und Frühlingsfest ist der »Schinderhannes« mittlerweile fünf Mal im Jahr in Paderborn zu Gast.
Der »Schinderhannes« hütet etliche Familien-Geheimnisse, die Siegbert Friedt (41) auch in Paderborn niemals verrät. Das wichtigste ist das richtige Würzen der Steaks: Sein Vater und Schnapsbrenner Berthold Friedt (79), der bis zum Vorjahr aus Hottenbach noch selbst zum Liborifest nach Paderborn kam, hat diese Mischung einst selbst erfunden und das Würzgeheimnis allein seinen Söhnen Siegbert, Joachim (45) und Gerhard (44) anvertraut. Ein einziger Landwirt beliefert den »Schinderhannes« mit Fleisch, das vakuumverpackt nach Paderborn geliefert und vor Ort in 330 bis 350 Gramm schwere Nackensteaks zerlegt wird. »Der Landwirt stammt aus Südwest-Deutschland«: Mehr verrät der gelernte Metzger Siegbert Friedt nicht.
Räuber-Hauptmann Schinderhannes, der 1803 vor 40 000 Zuschauern vor den Toren Mainz geköpft wurde, ist Namensgeber des bekannten Grills mit den Riesensteaks. Die Vorfahren der Familie Friedt führten am Tag der Schinderhannes-Hinrichtung im Hunsrück eine Schnapsbrennerei. 1971 legte Vater Berthold Friedt erstmals mächtige XXL-Steaks auf den Schwenkgrill und gab seinem Stand den Namen des Hunsrück-Räuberhauptmannes. Eine offenbar goldene Idee. Mittlerweile nährt der Grillstand drei Familien. Seit 1985 gehört Paderborn zum festen Tourneeplan der Hunsrück-Griller. In diesem Jahr stillt der Schin-derhannes bei 30 Volksfesten in Deutschland den Steak-Hunger. Während des Paderborner Liborifestes steht Bruder Gerhard (einst gelernter Bürokaufmann) mit einem Ableger beim zehntägigen Wiesenmarkt in Erbach (Odenwald). »Paderborn ist für uns das wichtigste Pflaster«, nennt Siegbert Friedt jedoch keine Zahlen über die Steakmenge, die er mit seinen vier bis neun Mitarbeitern in der Domstadt auf den Teller legt.
Über den Preis lässt Siegbert Friedt nicht mit sich reden: Acht Euro kostet so ein 350 Gramm Steak, mit Krautsalat noch einen Euro zusätzlich. »Wir setzen auf Qualität und nehmen diesen Preis«, stimmt mit Bruder und Diplom-Betriebswirt Joachim Friedt auch die kaufmännische Abteilung zu.
Wann ist ein Steak genießbar? »Es kommt auf das Buchenholz an, auf die richtige Temperatur von 900 Grad in der Glut über dem Schwenkgrill (1,30 Meter Durchmesser), auf den richtigen, verstellbaren Abstand zum Feuer und vor allem auf den ständigen und richtigen Dreh an«, lässt sich Siegbert Friedt dann doch ein paar kleinere Geheimnisse über das richtige Schinderhannes-Steak entlocken. Und das Gewürz? Da schweigt er und legt am heißen Arbeitsplatz schmunzelnd ein paar neue Fleischstücke auf.

Artikel vom 27.07.2006