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»Nennen Sie es Idealismus«

Gütersloher Neonazi Meinolf Schönborn steht wieder vor Gericht

Von Wolfgang Wotke
Gütersloh/Dortmund (WB). Wegen Volksverhetzung muss sich seit gestern der Gütersloher Neonazi Meinolf Schönborn vor der Staatsschutzkammer des Landgerichts Dortmund verantworten. Der 51-Jährige soll über seinen Versandhandel in Herzebrock-Clarholz monatelang Propagandamaterial der rechtsradikalen Szene vertrieben haben.

Bei einer Razzia durch die Polizei und des Staatsschutzes in seinem »Z-Versand« (Zündstoff-Verlag) in Herzebrock hatten die Beamten im März 2005 mehrere hundert Schriften der so genannten »Reichsbürgerbewegung« gefunden und sichergestellt. Der Autor dieser Texte (Schönborn: »Ich habe sie nur überarbeitet«) ist der ehemalige NPD-Anwalt Horst Maler. Den Mitbegründer der »Rote Armee Fraktion« (RAF), der später zum Rechtsextremisten wurde, habe Schönborn 2002 auf einer Schifffahrt in Belgien kennengelernt. »Ich habe dann mehrere Veranstaltungen von ihm besucht. Ich wollte mich wieder politisch betätigen. Dann ist es zu einer Zusammenarbeit gekommen«, erklärte Schönborn gestern vor Gericht. Er gab zu, dass es eine Gruppe gegeben habe, die sich unter dem Namen »Reichsbürgerbewegung« zusammenfand. Schönborn: »Die Mitglieder dieser Gruppierung waren zwischen 60 und 90 Jahre alt. Sie hatten einen Fehler: Sie konnten nicht organisieren. Ich schon.«
Daraus seien dann später auch die Faltblätter der »Reichsbürgerbewegung« entstanden (Beispiel: »Eine Million Flugblätter warten auf den Angriff«). Schönborn gab zu, diese Schriften, die laut Anklage die Bundesrepublik Deutschland verächtlich machten und ihr Bestand in Frage gestellt hätten, verteilt zu haben. Teilweise, so der Angeklagte, habe er davon gelebt, denn diese Flugblätter gingen zusammen mit anderen rechtsradikalen Hetzmaterial (Kleidungsstücke, Musik-CD's oder Katalogen) gegen ein entsprechendes Entgelt an seine Kunden oder, wie er selber sagte, »an seine Kameraden«. Mittlerweile sei der Versandhandel aber eingestellt und er lebe von Hartz IV. »Ich bin zahlungsunfähig und komme an der Privatinsolvenz wohl nicht mehr vorbei. Ich weiß nicht, wie es mit mir weiter geht. Ich will erst diesen Prozess abwarten.«
Der Gütersloher backte gestern in Dortmund »kleine Brötchen«. Dass Horst Mahler in einem seiner Briefe und Faltblätter den Holocaust geleugnet habe, will er nicht gewusst haben. »Ich habe von Anfang an versucht, mich bei Mitglieds-Anwälten rechtlich abzusichern. Sie haben mir stets erklärt, dass die Verteilung dieser Reichsbürgerbriefe unbedenklich ist.« Warum er denn da mitgemacht habe?, wollte das Gericht wissen. Seine Antwort: »Nennen Sie es Idealismus.«
Meinolf Schönborn ist einschlägig vorbestraft. Er war Gründungsmitglied und Generalsekretär der 1992 verbotenen »Nationalsozialistischen Front«. Weil er diese Organisation trotz Verbotes fortführte, wurde er 1995 vom Landgericht Dortmund zu einer Gefängnisstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Für diesen Prozess sind noch drei Verhandlungstage angesetzt. Das Urteil wird am 2. August erwartet.

Artikel vom 26.07.2006