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Außenseiterin gewinnt 1. Prüfung

Herforder Springreiterin Miriam Schneider bei DM in Münster auf Platz 18

Münster (HaSch). Freud und Leid liegen im Sport dicht beisammen. Vor allem beim Reitsport, wo ein klitzekleiner Springfehler alle Titelhoffnungen über den Haufen werfen kann. Diese Erfahrung musste auch Miriam Schneider bei der Deutschen Meisterschaft der Amazonen am Wochenende in Münster machen.

Als krasse Außenseiterin angereist, gewann die 25-jährige Lebensgefährtin von Bundestrainerassistenten Lars Meyer zu Bexten überraschend die erste Wertungsprüfung. Und konnte ihr Glück zunächst selbst gar nicht fassen. Wie ein kleiner Kobold sprang sie auf dem Abreiteplatz umher und hätte vermutlich am liebsten jeden umarmt, der sich in ihrer Nähe wagte. Minuten später freilich wirkte die für den RV »von Lützow« Herford startende Reiterin schon wieder relativ gefasst. »Nein, gerechnet habe ich mit diesem Sieg ganz sicher nicht«, diktierte sie den Journalisten in die Notizblöcke. Und auf die Frage, ob sie nun auch an die Deutsche Meisterschaft denke, erklärte sie kurz und bündig: »Bisher kenne ich ja nicht einmal den Modus, nach dem der Titel vergeben wird«. Apropos Titel. Der blieb am Samstag dann auch in weiter Ferne. In der 2. Prüfung im 1 Umlauf unterliefen ihr vier, im 2. Umlauf dann sogar 12 Fehlerpunkte.
Erst zwei Monate reitet die gebürtige Osnabrückerin die Stute Liva, mit der sie am Freitag die Konkurrenz überraschte. Zur Verfügung gestellt wird ihr das Pferd von einer jungen Dänin, die selbst zu wenig Zeit hat, um das Pferd im großen Sport vorzustellen. Miriam Schneider, die vor wenigen Monaten ihr Lehramtsstudium abschloss und nun auf eine Referendarstelle wartet, hat diese Zeit dagegen. Und wie man schon vor zwei Wochen in Steinhagen sehen konnte, kommt sie gut mit ihrem neuen »Untersatz« zurecht. Immerhin holte sie sich dort den Titel einer Westfalenmeisterin.
Den Ausschlag, das Wagnis einzugehen und an der Deutschen Meisterschaft in Münster teilzunehmen, war der Erfolg bei der Westfälischen in Steinhagen«, sagt Miriam, die auch zugab, ganz schön nervös gewesen zu sein, als sie in Münster in den Parcours einritt. Im Stangenwald legte sie diese Nervosität dann aber schnell ab. Problemlos und fehlerfrei steuerte sie mam Freitag ihre Stute über die Hindernisse. Am Ende blieb die Stoppuhr nach 81.40 Sekunden stehen. Damit war sie exakt 41 Hundertstel schneller als Barbara Steuer-Colee mit ihrem Wallach Chi Mai. Dritte wurde mit Inga Czwalina auf Helene (0/82,15) eine weitere Außenseiterin. Am Samstag beim Finale nach zwei weiteren Umläufen trennte sich dann die Spreu vom Weizen wie es so schön heißt. Der Titel ging schließlich an Janne-Friederike Meyer aus Neumünster vor Barbara Steuer-Colee und Karin Ernsting-Engemann (RV Rulle). Die frühere Herforderin Susanne Behring, die für Steinhagen-Brockhagen reitet, belegte auf L.B. Nesquik im zweiten Umlauf in der 1. Prüfung Platz 1.
Miriam Schneider dürfte das ziemlich egal sein. Sie hatte durch den Sieg bei der ersten Wertungsprüfung schon mehr erreicht, als sie sich im Vorfeld erträumt hatte.
Die Herrenkonkurrenz gewann Rene Tebbel mit 1,75 Strafpunkten vor Heinrich H. Engemann, Ludger Beerbaum und Marcus Ehining (alle 8,00 Punkte). Lars Meyer zu Bexten wurde 15.
Nach einem Disput zwischen dem Wortführer der deutschen Springreiter, Ludger Beerbaum und Kurt Gravemeier, seines Zeichen Bundestrainer, aber auch gleichzeitig Angestellter von Hendrik Snoek, dem Veranstalter von Münster, zählte das Ergebnis der DM nicht mehr für die Teilnahme an der Weltmeisterschaft vom 20. August in Aachen. Beerbaum, Marco Kutscher, Marcus Ehning, Christian Ahlmann und Meredith Michaels-Beerbaum standen schon vorzeitig als WM-Teilnehmer fest. So sollten ihre WM-Pferde in Münster schonen, was Veranstalter Snoek mit Blick auf das nationale Gesamtinteresse auch akzeptierte. Allerdings ergriffen Beerbaum und Kutscher die günstige Gelegenheit und meldeten ihre WM-Kandidaten L'Espoir und Montender flugs für das gleichzeitig stattfindende Turnier in San Patrignano, dort, wo Kutscher vor einem Jahr Europameister geworden war. Bundestrainer Kurt Gravemeier war sauer, entschied, dass die Pferde nicht in Italien starten dürfen. Ludger Beerbaum machte sich darauf noch einmal Luft und sprach »von einem Fall für den Kindergarten«. Bis auf Meredith Michaels-Beerbaum, für deren Zweitpferd Checkmate nach einer Verletzung die Belastung wohl noch zu früh kam, preschten dann doch alle WM-Reiter in den wunderschönen Münsteraner Parcours.

Artikel vom 24.07.2006