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Oft gefehlt: Kranker Arbeiter behält Job

»Kündigung ist sozial ungerechtfertigt«

Von Hubertus Hartmann
Paderborn (WB). Wer oft krank ist, hat bei seinem Arbeitgeber schlechte Karten. Die Entlassung eines nicht ganz gesunden Mitarbeiters ist allerdings schwierig.

Eine Firma aus Brakel (Kreis Höxter) hatte einem seit 1982 im Unternehmen beschäftigten Vater von zwei Kindern wegen einer Fehlzeitquote von 33,5 Prozent in den vergangenen fünf Jahren die Kündigung geschickt. Das Arbeitsgericht Paderborn erklärte die Entlassung trotzdem für »sozial ungerechtfertigt«.
Ismail C. (41) hat ein Rückenleiden. 2001 fehlte er 123 Arbeitstage, 2002 waren es 155, in den Folgejahren pendelte die Anzahl der Fehltage zwischen 25 und 36 Tagen. Insgesamt war er in fünf Jahren von 1100 Arbeitstagen 369 außer Gefecht.
Der durchschnittliche Krankenstand in der Firma liege bei fünf bis sechs Prozent. Man habe dem Mann schon eine Teilzeitstelle gegeben, und Schichtdienst müsse er auch nicht mehr machen. Gleichwohl habe sich sein Gesundheitszustand nicht verbessert, so die Firmenleitung. Die ständigen Ausfallzeiten führten zu »unzumutbaren Beeinträchtigungen der betrieblichen Interessen«.
»Teilweise hat mein Mandant aber unbezahlten Urlaub genommen oder Kurzarbeitstage verrechnet«, argumentiert dagegen der Paderborner Rechtsanwalt Helmut Endemann, der den Kläger vertritt.
Bei krankheitsbedingten Fehlzeiten von mehr als 14 Prozent in den zurückliegenden drei Jahren könne der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis prinzipiell kündigen, stellte Arbeitsgerichtsdirektor Holger Kuhlmey fest. Allerdings nur, »wenn bei prognostischer Beurteilung auch in Zukunft mit weiteren Erkrankungen zu rechnen ist«.
Davon jedoch könne man in diesem Fall nicht ausgehen. Im Vergleich zu 2001 und 2002 seien die Ausfallzeiten des Klägers in den folgenden drei Jahren nämlich »rapide zurückgegangen«. Bei 230 Arbeitstagen im Jahr lägen dessen Fehlzeiten im relevanten Zeitraum unter 15 Prozent. Es sei kein Grund erkennbar, dass der Kläger auch in den kommenden Jahren in erheblichem Maße krankheitsbedingt ausfallen werde. Ismail C. behält seinen Job, die Kündigung ist unwirksam. Az.: 1 Ca 271/06

Artikel vom 01.08.2006