22.07.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

»Hier steht ja der halbe Kreis Höxter«

Ausflugstipp: im Freilichtmuseum Detmold erinnern Gebäude an Landleben zwischen Egge und Weser

Von Michael Robrecht
Bad Driburg/Brakel (WB). Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute doch so nah ist: Viele Familien suchen in den Sommerferien lohnende Reiseziele, die nicht weit entfernt, aber dennoch hoch interesant sind. Das Freilichtmuseum in Detmold ist so ein Ziel. »Hier steht ja der halbe Kreis Höxter«, scherzte kürzlich ein Besucher aus Brakel. Recht hat er, denn Dutzende historische Gebäude aus dem Kreis sind dort aufgebaut worden.

Ländliches und kleinstädtisches Leben für die Nachwelt bewahren, das war Intention bei Gründung des Museums mit 100 Gebäuden aus fünf Jahrhunderten. Nach dem das Paderborner Dorf echte Ortsstrukturen bekommen hat, will Museumsleiter Dr. Jan Carstensen nun eine neue Richtung forcieren: »Das Museum muss sich noch stärker ökologisch ausrichten.«
Bei einem Rundgang finden Besucher - besonders im Paderborner Dorf - immer wieder Spuren aus dem Kreis Höxter. Im Aufbau befindet sich zurzeit eines der letzten jüdischen Wohn- und Geschäftshauser Westfalens, das per Lkw nach Detmold gebrachte Haus Uhlmann aus Ovenhausen, das dieses Jahr fertig werden soll. Es war von 1803 bis 1941 in jüdischem Eigentum. Erbauer ist der Händler Bernd Soistmann. Sein Vater Soistmann Berend war 1783 von einem Schuldner ermordet worden. Dieser historische Kriminalfall inspirierte Annette von Droste-Hülshoff zu ihrer berühmten Novelle »Die Judenbuche«, die überwiegend in Bellersen und Umgebung spielt.
Interessant auch das Haus Ludovici (erbaut 1608-14) aus Neuenheerse: Theodor Ludovici war Kapitelsekretär des kaiserlichen Damenstiftes. Das Gebäude wechselte häufig den Besitzer, ein Tagelöhner namens Kasper Gehl-haus versuchte es sogar Mitte des 19. Jahrhunderts anzuzünden, um die Versicherungssumme zu kassieren. Er kam ins Zuchthaus in Münster. Letzter Eigentümer war die Familie Weskamp, bevor es aus Neuenheerse nach Detmold transportiert wurde.
Einen Besuch wert ist auch das Gartenhaus von Gut Maygadessen. Der achteckige Fachwerkpavillon der Adelsfamilie von Wolff-Metternich ist 200 Jahre alt und gilt als sehr selten.
Das sagen Experten auch über das Tagelöhnerhaus aus Rösebeck, das die Lebensverhältnisse der armen Bevölkerung im Kreis Höxter gut darstellt.
Eine weitere Attraktion aus der Region Egge/Nethe/Weser ist die Schmiede Pollmann, wo auch im Freilichtmuseum ständig die Flamme brennt.
Schon 1968 ist das 1777 errichtete Gebäude samt Einrichtung als chrakteristisches Beispiel für eine Dorfschmiede in Godelheim abgebaut und nach Detmold gebracht worden.
Repräsentanten für ländliche Bauernhäuser sind ferner das Haus Moven aus Bruchhausen (1651), das 1980 abgebaut worden ist. Das Haus Golücke (1767) kommt aus Amelunxen und ist typisch für die Architektur der Dörfer im Kreis Höxter im 18. Jahrhundert. Kuhstall und Abort sowie eine Lohnbäckerei haben ihren Ursprung in Stahle auf dem Hof Hilmer-Borgolte.
1960 wurde das Freilichtmuseum Detmold gegründet. Jahrelang zogen Experten über die Dörfer und sammelten Häuser. 1971 war Eröffnung. Die Zeugnisse der Alltagskultur der Ahnen sind mühsam zusammengetragen worden. Das Museum bietet aber auch Veranstaltungen, die den Alltag Anno dazumal vorführen.
www.freilichtmuseum-detmold.de

Artikel vom 22.07.2006