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Dreyfus und
der Verrat

Zweiteiliger Film und Doku bei Arte

Arte, 20.40 Uhr: Um einen der großen Skandale in der Geschichte Frankreichs dreht sich »Die Affäre Dreyfus« von Yves Boisset mit Thierry Frémont in der Hauptrolle.

Paris 1894: In der deutschen Botschaft erscheint Colonel Graf Esterhazy und bietet dem deutschen Militärattaché Baron von Schwartzkoppen an, für die Deutschen zu spionieren. Eine vom französischen Geheimdienst eingeschleuste Putzfrau findet die Geheimpapiere. Der Verdacht des französischen Generalstabs fällt auf den jüdischen Hauptmann Alfred Dreyfus. In einem spektakulären Prozess wird dieser wegen Geheimnisverrats zu lebenslänglicher Deportation auf die Teufelsinsel vor der Küste von Französisch-Guayana verurteilt.
100 Jahre nach der Wiederaufnahme des Prozesses ist der zweiteilige Film »Die Affäre Dreyfus« (1995) zu sehen. Danach folgt um 00.10 Uhr der Dokumentarstreifen »J'accuse - Ich klage an«.
In dem Prozess wurden keine schlüssigen Beweise gegen Dreyfus erbracht. Dem französischen Kriegsminister reichte die Tatsache, dass Dreyfus Jude war, als Beweis für dessen Schuld. Das Urteil spaltete Frankreich in zwei Lager. Am 13. Januar 1898 erschien in der Zeitung »Aurore« ein offener Brief des Schriftstellers ƒmile Zola an den Staatspräsidenten Félix Faure, in dem er leidenschaftlich für Dreyfus eintrat. Die Linke verlangte eine Wiederaufnahme des Verfahrens. 1899, nachdem der Bloc républicain die Macht übernommen hatte, wurde Dreyfus begnadigt. 1906 wurde er in einem Wiederaufnahmeverfahren vollständig rehabilitiert.
Das Drehbuch für den 210-Minuten-Film über die Affäre, bei dem Yves Boisset Regie führte, schrieb der spanische Dichter Jorge Semprun. der dafür beim Monte Carlo Festival die Silberne Nymphe erhielt. Semprún weiß, wovon er schreibt: Seine eigene Biografie ist eine unablässige Auseinandersetzung mit den Themen dieses Films: blindem Chauvinismus, Militarismus und Judenhass. 1923 geboren, floh er während des spanischen Bürgerkrieges nach Frankreich, kämpfte als Kommunist gegen den Faschismus, bis er 1964 aus der spanischen KP ausgestoßen wurde. 1988 wurde er in Spanien sogar zum Kulturminister berufen. Neben seinem schriftstellerischen Werk, schrieb Semprún Drehbücher für Alain Resnais und Costa-Gavras.
In der anschließenden Dokumentation geht es vor allem um die tiefen Spuren, die Zolas offener Brief hinterlassen hat. Anhand zeitgenössischer Dokumente rekonstruiert der Film die Entwicklung der intellektuellen Kreise im Frankreich des 19. Jahrhunderts.

Artikel vom 21.07.2006