20.07.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

»Wir wollen unser Kind zurück«

Frauke Liebs seit vier Wochen vermisst - Eltern setzen Belohnung aus

Von Christian Althoff
Lübbecke (WB). Ingrid Liebs sitzt an ihrem Computer und entwirft ein neues Suchplakat. Sie will es am Samstag in der Herforder Diskothek »Go Parc« verteilen, wo ihre Tochter so gerne getanzt hat. »Mein Mann und ich wollen nichts unversucht lassen«, sagt die 53-jährige Oberstudiendirektorin. Mehr als vier Wochen ist es jetzt her, dass ihre Tochter Frauke (21) verschwunden ist - nicht freiwillig, wie die Kripo befürchtet.
Ingrid und Klaus Liebs mit einem Foto ihrer verschwundenen Tochter Frauke: Die Eltern leben seit vier Wochen zwischen Hoffen und Bangen, jedes Telefonklingeln lässt sie aufschrecken. Foto: AlthoffDieses neuere Bild soll Frauke noch ähnlicher sein.

Ein Reihenhaus am Stadtrand von Lübbecke. Hier ist Frauke Liebs aufgewachsen - zusammen mit einer jüngeren Schwester und einem älteren Bruder. Nach dem zehnten Schuljahr war sie nach Bielefeld gegangen, um parallel zum Abitur eine Ausbildung zur Erzieherin zu machen. »Frauke wusste immer, was sie wollte. Sie stand voll im Leben«, erzählt ihre Mutter, die das Städtische Gymnasium in Bad Driburg leitet.
Die Pädagogin lächelt, als sie ihre Tochter beschreibt: »Frauke ist eine Quasselstrippe. Fröhlich, aufgeschlossen und engagiert. Es war ihr zum Beispiel wichtig, Blut zu spenden und auch andere Menschen dafür zu gewinnen.« Ihr Leben habe die junge Frau in die eigenen Hände genommen - ohne dabei den Kontakt zu den Eltern abreißen zu lassen. »Nachdem sie im Oktober im Paderborner St. Vincenz-Krankenhaus einen Ausbildungsplatz als Krankenpflegerin gefunden hatte und dort in eine WG eingezogen war, haben wir mindestens einmal pro Woche ausgiebig telefoniert«, erzählt die Mutter. »Anschließend wusste ich immer genau, was Frauke seit unserem letzten Gespräch gemacht hatte. Sie ließ uns an ihrem Leben teilhaben.«
So war es für die Eltern auch recht einfach, eine Liste mit Namen von Fraukes Freunden und Bekannten aufzustellen, nachdem die junge Frau am 20. Juni in Paderborn verschwunden war. »Ein paar Stunden zuvor war ich noch mit ihr und dem Mitbewohner der WG, einem Studenten, essen«, erinnert sich Ingrid Liebs. Zu zweit hätten sie Frauke anschließend an einem irischen Pub abgesetzt, wo die 21-Jährige mit einer Freundin das WM-Spiel England-Schweden verfolgen wollte. Ihren Wohnungsschlüssel hatte Frauke damals ihrem Mitbewohner in die Hand gedrückt, weil der seinen eigenen vergessen hatte. »Der Student blieb wach, um Frauke ins Haus zu lassen, aber sie kam nicht.« Gegen 0.50 Uhr erreichte ihn dann eine SMS: »Komme später!«
»Wir nehmen an, dass Frauke in jener Nacht zunächst freiwillig mit einem Bekannten mitgegangen ist, dessen Namen wir bis heute nicht kennen. Dann muss aber etwas passiert sein, das unsere Tochter völlig aus der Bahn geworfen hat«, vermutet Klaus Liebs (55), der in Espelkamp als Zahnarzt praktiziert. Denn in den folgenden sieben Tagen meldete sich die 21-Jährige noch fünfmal per Handy bei ihrer Schwester, ihrem Bruder und ihrem Mitbewohner, jeweils für etwa 30 Sekunden. »Ich wäre gerne bei Euch. Sagt Mama und Papa, dass ich sie lieb habe!«, lautete die letzte Botschaft, die eine Woche nach Fraukes Verschwinden die Schwester per Handy erreichte.
Klaus Liebs: »In den kurzen Gesprächen soll Fraukes Stimme emotionslos und weggetreten geklungen haben. Wir nehmen an, dass sie gefangengehalten wird. Denn als ihr Mitbewohner sie bei einem Telefonkontakt fragte, ob sie festgehalten werde, antwortete Frauke erst "ja" und schob dann ein "nein, nein" hinterher.« Dafür, dass Frauke L. nicht alleine ist, spricht auch die Tatsache, dass sie nur drei Euro bei sich hatte und ihr Girokonto seit dem 20. Juni mehr angerührt worden ist. »Irgendjemand muss sie doch mit Essen versorgen!«, sagt die Mutter.
Seit drei Wochen gibt es jetzt von Frauke kein Lebenszeichen mehr. »Dass wir diese Zeit überhaupt einigermaßen durchgestanden haben, ist nur unserem guten Familienzusammenhalt zu verdanken. Einer stützt den anderen«, sagt Klaus Liebs, dem es ein Bedürfnis ist, auch der Kripo Paderborn zu danken: »Die versucht seit Wochen wirklich alles, um Frauke zu finden. Aber irgendwann gibt es eben keine Spur mehr, der man nachgehen kann.«
Ihre letzte Hoffnung setzen die Eltern jetzt in eine Belohnung: »Wir werden 5000 Euro ausloben und am Samstag eine Telefonnummer veröffentlichen, unter der wir erreichbar sind. Wer weiß, wo Frauke ist, kann sich dann bei uns melden - ohne dass die Polizei seinen Namen erfährt«, versichert Ingrid Liebs. Denn dass ein möglicher Täter zur Rechenschaft gezogen wird, ist den Eltern nicht so wichtig: »Wir wollen nur unser Kind lebend zurückhaben.«

Artikel vom 20.07.2006