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Krankenhausärzte machen mobil

Mediziner veranstalteten Protestmarsch durch die Lübbecker Innenstadt

Lübbecke (HoG/jug). Auf die beiden »aktiven Mittagspausen« folgte der erste Streiktag: Im Zuge der Tarifauseinandersetzungen zwischen dem Marburger Bund und der Vereinigung kommunaler Arbeitgeber (VkA) machten gestern auch rund 30 Ärzte am Krankenhaus Lübbecke mobil. Nach einem Demonstrationsmarsch vom Krankenhaus in die Innenstadt suchten die Mediziner in der Fußgängerzone das Gespräch mit den Passanten.
Andrea Renz aus Bünde hat durchaus Verständnis für den Streik.Jörg Langenberg aus Rahden betont die hohe Verantwortung der Ärzte.

»Ich kann das 100-prozentig verstehen«, sagt Domenico Tiberia, der in der Langen Straße den Demonstrationszug beobachtet. Komme man mit Beschwerden ins Krankenhaus, dann erwarte man schließlich, dass der behandelnde Arzt »frisch« ist. Auch einen höheren Verdienst würde Tiberia den Medizinern aufgrund ihres verantwortungsvollen Jobs auf jeden Fall zugestehen: »Der Arzt ist der, der die Leistung bringt.«
Wie Mit-Organisator Dr. Peter Kläs erklärt, seien aufgrund des Streiktages etwa 20 nicht akute Operationen verschoben worden. Die betroffenen Patienten seien zumeist telefonisch von der Verschiebung informiert worden, die meisten hätten verständnisvoll reagiert, doch natürlich nicht alle. »Das können wir aber auch verstehen.« Zwölf Kollegen haben nach Auskunft von Kläs die Notversorgung aufrecht erhalten.
Und trotzdem plagten die streikenden Mediziner Gewissensbisse, »das Haus ist ja immer noch proppenvoll, deshalb hatten wir bislang ja auch keinen Streik.« Dennoch: Ihren Forderungen nach fairen Arbeitsbedingungen und angemessenem Gehalt wollen die Mediziner auf jeden Fall Nachdruck verleihen. Und sie wollen erklären. »Wir möchten vor allem nicht, dass alles nur auf das Geld reduziert wird.« Vielmehr gehe es darum, dass bestehende Arbeitszeitrichtlinien der EU nicht eingehalten würden, und um den fehlenden Ausgleich für zahlreiche geleistete Überstunden.
Das aktuelle Angebot des VkA mit durchschnittlich 500 bis 600 Euro mehr sei ohnehin eine »Mogelpackung«. »Das reicht noch nicht mal an das heran, was wir vor anderthalb Jahren verdient haben.«
Auch in der kommenden Woche wollen die Mediziner ihren Streik fortsetzen, und zwar am Dienstag und Mittwoch, gemeinsam mit den Mindener Kollegen. Am Dienstag werde man zur Großkundgebung des Marburger Bundes nach Dortmund fahren. Eine Notversorgung bleibe natürlich weiter bestehen.
Patienten im Lübbecker Krankenhaus haben durchaus Verständnis für die Situation der Ärzte und für deren Anliegen. Hier werde eine sehr verantwortliche Arbeit geleistet, betonte gestern Andrea Renz aus Bünde, die seit Freitag dort stationär behandelt wird. Die Ärzte müssen hoch konzentriert arbeiten und sich auf jeden Patienten einstellen. Da seien angesichts der hohen zu leistenden Stundenzahl Fehler vorprogrammiert, befürchtet sie. So sei es nur verständlich, wenn die Mediziner auch eine angemessene Bezahlung wünschen.
Jörg Langenberg aus Rahden bringt für den Ärztestreik ebenfalls Verständnis auf. Er findet es bedauerlich, dass die Ärzte so weit zu gehen quasi gezwungen seien. Auch er spricht von einer enormen Verantwortung, die schließlich auch bezahlt werden müsse, wie es auch in der freien Wirtschaft an der Tagesordnung sei. Hinzu komme die enorme zeitliche Belastung.
Aus völlig anderer Sicht beurteilt Gerald Oestreich, Geschäftsführer der Kliniken im Mühlenkreis, den Ärztestreik. Er hat große Bedenken im Hinblick auf die Versorgungssicherheit, zumal bereits am Mittwoch in Minden gestreikt wurde und für die kommende Woche für den gesamten Versorgungsbereich des Klinikverbundes ein zweitätiger Streik im Gespräch sei. Ein Streiktag koste allein für das Krankenhaus in Lübbecke rund 20000 Euro, so Oestreich, für den gesamten Klinikverbund etwa 150000 Euro. »Geld, das uns am Ende fehlt«, so der Geschäftsführer. Ohnehin kann er sich mit einem Flächentarifvertrag nicht anfreunden, da er die landesspezifischen Gegebenheiten nicht berücksichtige. »Eine medizinische Leistung wird in Niedersachsen anders vergütet, als beispielsweise in NRW«. Es sei nur zu hoffen, dass hier bald eine tragfähige Lösung im Interesse aller gefunden werde, so Oestreich.

Artikel vom 21.07.2006