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Eine Reise in die Vergangenheit

Reinhard Holewa kam vor 60 Jahren als Flüchtling am Güterbahnhof Höxter an

Von Frank Spiegel
Höxter (WB). Reinhard Holewa blickt auf den alten Güterbahnhof von Höxter. Die Bahnschienen sind rostig, Grün verdeckt sie teilweise. Noch frisch sind jedoch die Erinnerungen des 77-Jährigen, der heute in Balve im Sauerland lebt: Vor 60 Jahren kam Reinhard Holewa auf diesem Bahnsteig an -Êin einem Viehwaggon, zusammen mit zahlreichen anderen, die aus dem Osten geflüchtet waren.

Ein Kuraufenthalt in der Weserberglandklinik verschlug ihn wieder nach Höxter. Es ist sein erstes Wiedersehen mit der Stadt, in der er nach der Flucht aus der schlesischen Heimat begonnen hat, Fuß zu fassen.Tagelang habe in dem Zug keine Möglichkeit bestanden, sich zu waschen, die Waggons seien hoffnungslos überfüllt gewesen. »Wir müssen entsetzlich gestunken haben«, blickt der 77-Jährige zurück. Er erinnert sich noch genau an den Tag seiner Ankunft vor 60 Jahren: »Es war regnerisch. In alten Bussen wurden wir in ein Barackenlager gefahren.« Zunächst einmal habe in Höxter die Körperhygiene im Vordergrund gestanden.
Arbeit fand Holewa auf der Domäne in Brenkhausen, erst als Landarbeiter, dann als Gespannführer. Dort zeichnete sich auch schon sein späterer Lebensweg ab: Aus dem Pferdestall der Domäne war ein Pferdegeschirr entwendet worden. Reinhard Holewa hatte es aber vorher gekennzeichnet. »Als ich mal wieder bei der Absatzgenossenschaft in der Stadt war, sah ich das Geschirr auf einem fremden Pferd«, erinnert er sich. Er gab schließlich den entscheidenden Hinweis und wurde vom Dorfpolizisten gelobt mit den Worten: »Aus Dir wird ein guter Polizist.«
Nachdem er zunächst bei der Firma Anton Kaup eine Maurerlehre begonnen hatte, um Bauingenieur zu werden verschlug es ihn nach Rheda, wo er als Betriebsmaurer tätig war. Dort las er ein Plakat, auf dem junge Polizeibeamte gesucht wurden. »Ich erinnerte mich an den Spruch des Landgendarmen aus Brenkhausen, meldete mich und bestand die Aufnahmeprüfung in Münster«, blickt Reinhard Holewa zurück.
In diesen Tagen ist er oft in Brenkhausen unterwegs. »Ich kann gar nicht überall dort hinkommen, wo man mich einlädt«, sagt er schmunzelnd. Den Ort hat er nie vergessen. Er hat auch noch ein Foto des SV Brenkhausen, das er 1948 gekauft hat. 20 Pfennig hat es damals gekostet. »Als Stundenlohn bekam ich damals 33 Pfennig«, so der pensionierte Polizeibeamte. Aber damals habe der Verein so seine Kasse auffüllen wollen. Da habe er mitgeholfen.
In wenigen Tagen fährt er wieder heim -Êim Mercedes-Cabriolet. Doch die Gedanken an die Schrecken des Krieges, die Ankunft in Höxter und die Dankbarkeit für die Aufnahme hier -Êdie wird bleiben.

Artikel vom 14.07.2006