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Nadine Bollmeier Vize-Weltmeisterin

Frotheimerin überrascht die asiatischen Zelluloid-Artisten im slowenischen Maribor

Von Ingo Notz
Frotheim/Maribor (tz). Auf der Rechnung hatte sie eigentlich keiner. Doch dann kam alles ganz anders - und am Ende war selbst der WM-Titel zum Greifen nah. Was Fußball-Deutschland verzauberte, fand in ähnlicher Form zeitgleich auch im Tischtennis-Land statt - und hier spielten nicht Jürgens »Klinsmänner« die Hauptrolle, sondern die beste Spielerin aus dem Altkreis Lübbecke.

Die Frotheimerin Nadine Bollmeier sorgte bei den Studenten-Weltmeisterschaften für die größte Sensation der gesamten Veranstaltung, als sie sich im von Asiatinnen dominierten Wettbewerb völlig unerwartet die Silbermedaille im Damen-Einzel sicherte. Vize-Studenten-Weltmeisterin 2006 - auch eine klare Kampfansage Richtung Nationalmannschaft.
In der Studenten-Nationalmannschaft hat Bollmeier ihren Platz sicher, in der »richtigen« Nationalauswahl will sie wieder in den engeren Kreis zurück. Die beste Empfehlung dafür sind internationale Topergebnisse - wie jetzt im slowenischen Maribor.
Dabei stand die WM für Bollmeier unter keinem guten Stern, da die Damen-Mannschaft und das letztjährige Bronze-Doppel mit Alexandra Scheld kurzfristig platzten. Also musste sich Bollmeier gezwungenermaßen auf das Mixed und das Einzel konzentrieren. Im Mixed trat Bollmeier mit Nico Christ, wie Bollmeier auch schon mal Champion bei den »echten« Deutschen Meisterschaften, von der Uni Karlsruhe an. Die Beiden erlebten allerdings gleich einen eher suboptimalen Start ins Turnier.
Durch die Notierung in der Weltrangliste war das Duo in der ersten Runde gesetzt und traf in der zweiten Runde auf die koreanische Kombination Dae Keun Yang/Soo San Jung. Bollmeier/Christ begannen nervös und fanden keinen rechten Rhythmus, so dass die ersten beiden Sätze 7:11 und 9:11 verloren gingen. Durch taktische Änderungen und Kampfgeist fanden sie dann aber zurück ins Spiel und schafften den Satzausgleich. Im fünften und entscheidenden Satz agierten Bollmeier/Christ etwas zu hektisch, ein schneller 2:6 Rückstand war die Folge. Am Ende hieß es dann 6:11.
Blieb noch das Einzel, wo der Frotheimerin die mühsame Qualifikation erspart blieb: Dort war Nadine Bollmeier auf Grund ihrer Weltranglistenplatzierung direkt für das Hauptfeld gesetzt.
Dass für das deutsche Team am Ende dieses Tages noch ein Sieg zu Buche stand, war dann auch Nadine Bollmeier zu verdanken. Gegen die unangenehme Abwehrspielerin Ganna Gaponova (Ukraine) legte sie einen fulminanten Start hin und gewann den ersten Satz mit 11:4. Auch von Satzbällen für die Gegnerin im zweiten Satz ließ sich Bollmeier nicht aus dem Konzept bringen und gewann mit 12:10. Den dritten entschied sie mit 11:9 ähnlich knapp für sich und konnte sich anschließend über das Erreichen das Achtelfinales freuen.
1Schade, dass ich heute nicht noch ein Einzel spielen kann. Ich habe heute gut gespielt und hätte diese Form gerne im nächsten Spiel genutzt«, so Bollmeier nach dem glänzenden Solo-Turnierstart. Ihre Topform hielt aber auch bis zum nächsten Tag. Als einzige Europäerin zog Nadine Bollmeier am Sonntag bei den Studierenden-Weltmeisterschaften ins Viertelfinale ein und zeigte dort die beste Leistung des Tages! Gegen die an Position 83 in der Weltrangliste geführte und in Maribor Top-gesetzte Taiwanesin Yi-Hua Huang kam es zu einem wahren Tischtenniskrimi: nach 0:2 und 1:3-Satzrückstand musste Bollmeier über die volle Distanz von sieben Sätzen gehen, um am Ende mit 11:9 die Oberhand zu behalten.
»Das war das knappste Spiel der Studierenden-Weltmeisterschaften«, zeigte sich die deutsche Disziplinchefin Ines Lenze vor Ort schwer beeindruckt: »Es ist unglaublich, wie sich Nadine ins Spiel zurückgekämpft hat.«
Im Halbfinale gegen die Japanerin Midori, in der Weltrangliste als 156. ähnlich positioniert wie Bollmeier (151), gab es einmal mehr sieben spannende und hochklassige Sätze. Bollmeier wehrte drei Matchbälle ab, bevor sie sich über den Einzug in das Finale freuen konnte.
Und damit sorgte die gerade 25 Jahre alt gewordene Frotheimerin für staunende Gesichter selbst bei den Offiziellen, wie sie grinsend bemerkte: »Das ist sensationell! Ich habe mit dem FISU-Repräsentanten gesprochen und selbst er konnte sich nicht erinnern, wann zum letzten Mal eine nicht-asiatische Spielerin im Finale stand.«
Die Nationalspielerin des DTTB traf im Endspiel auf die Chinesin Yu Jingwei - und galt, wie schon im Halbfinale, erneut als große Außenseiterin. Im Finale verlor Bollmeier den ersten Satz recht deutlich. Zeit, dass sich was dreht. Doch dann das: Gleich am Anfang des zweiten Satzes folgte eine Schrecksekunde, als Bollmeier bei einem Topspin mit dem Finger vor den Tischrand schlug und sich eine schmerzhafte Blessur zuzog, die sie selbst aber nicht als Hauptgrund für die Niederlage gelten lassen wollte: »Danach war es für mich sehr schwierig, so richtig ins Spiel zu finden. Die Verletzung selbst war für meine Gesamtleistung im Finale sicherlich nicht ausschlaggebend, aber das bringt einen natürlich schon raus«, resümierte Bollmeier nach der Siegerehrung.
Außerdem ist die Frotheimerin zweimal über die volle Distanz gegangen, »und bei den Temperaturen hier in der Halle schlaucht das ungemein.«, ergänzte Disziplinchefin Ines Lenze.
Nach der ersten Enttäuschung über die am Ende dann doch klare 0:4-Finalniederlage gegen die Chinesin konnte Nadine Bollmeier aber schon wieder lächeln und genoss den großartigen Erfolg an ihrem persönlichen WM-Wochenende, an dem deutsche Sportler trotz verpasster Titel gefeiert wurden wie Sieger . . .

Artikel vom 13.07.2006