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Abenteuerreise mit Happy End

Der Spenger Georg Wagner suchte sein Glück in Australien und fand es

Von Kerstin Sewöster
Spenge (SN). »Ich bin zu 90 Prozent Australier und zu 90 Prozent Deutscher.« Georg Wagner hat kein Problem sich zu seinem Land zu bekennen.Ê Seit fast 50 Jahren lebt der ehemalige Spenger in Australien, wo er als junger Mann auf Abenteuer hoffte und schließlich eine neueÊ Heimat fand. Zur Zeit verbringtÊ der 66-Jährige seine Ferien in Spenge und Umgebung gemeinsam mit seinen sechs Brüdern.
Fanden im Spenger Diemker Eck ihr Zuhause: Georg Wagners Eltern Elisabeth und Max Wagner.

Wird Georg Wagner nach seiner Kindheit in Spenge gefragt fallen ihm vor allem zwei Begriffe ein: Enge und Kontrolle. Die Wagners kamen 1946 als Flüchtlingsfamilie aus Niederschlesien nach Spenge, wohnten zuÊ neun Personen in einem Kotten mit zwei Schlafzimmern. Sieben Söhne - man kann sich leicht vorstellen, dass ein strenges Regiment von Vater Max Wagner notwendig war. Georg ist der fünfte im Bunde und erfüllt zunächst die Erwartungen. Nach der Schule in Wallenbrück absolviert er beim Bauunternehmer Kreft eine Lehre. Der junge Georg lernt fleißig und baut sogar am Spenger Rathaus mit; nur eines stört ihn:Ê »Überall wurde ich dirigiert Zuhause und im Job. Ich wollte mal raus, mal auf eigenen Beinen stehen«, fasst Wagner sein jugendliches Aufbegehren in Worte.Ê »Kurz vor Weihnachten entschloss ich mich auszuwandern. Eigentlich wollte ich nach Kanada, aber die australische Regierung hat uns besser unterstützt.«
Mit 210 Mark in der Tasche verpflichtete er sich zwei Jahre lang in Australien zu arbeiten. Gemeinsam mit 600 abenteuerlustigen Junggesellen verbrachte er fünf Wochen auf dem Schiff und lernte Englisch. In Perth ging es an Land - mit fünf Pfund in der Tasche. Der erste Job als Helfer bei der Weinernte war nur ein kurzes Intermezzo, dank glücklicher Zufälle landete er in Melbourne im Kolpinghaus. Und so konnte Georg Wagner schnell das Kasernenleben hinter sich lassen, als Maurer arbeiten und die ersehnte Unabhängigkeit in vollen Zügen genießen.
»Auf einmal waren vier Jahr um und ich hatte immer noch kein Geld gespart«, meint der sympathische Wahl-Australier. Georg Wagner beschloss etwas beiseite zu legen, um wieder nach Deutschland zu reisen. Kein Zurück gab es jedoch, als er seine Frau kennen lernte. Angelika Wagner war als Zehnjährige mit ihren Eltern aus Berlin nach Australien gereist. Ihr Mutter wollte nicht, dass sie einen Australier heiratete und war wohl beeindruckt von dem jungen Georg, der zwar immer bei ihrÊ im Lebensmittelgeschäft anschreiben ließ, seine RechnungÊ aber stets zum Ende der Woche beglich. Ihr Arbeit als »Kupplerin« war erfolgreich: Angelika und Georg heirateten 1964.Ê Die jungen DeutschenÊ - Georg Wagner erwarb erst Mitte der 80-er Jahre die australische Staatsangehörigkeit - lebten das ganz normale Leben einer Familie mit drei Kindern undÊ bauten ein Haus, zogen um, bauten noch ein Haus. Heute gehören noch sechs Enkelkinder zur Familie.
Viel Kontakt hatte der Spenger nicht zum deutschen Teil seiner Familie. Ein Brief war wochenlang unterwegs und ein Telefongespräch horrend teuer. Seine Eltern sah er das erste Mal 1967 wieder. Sie sollten noch ein zweites Mal 1974 nach Australien fahren. Georg ist nicht ihr einziger Sohn, der sein Glück in der Ferne fand. Arnold Wagner (diese Zeitung berichtete)Ê lebt seit fast 50 Jahren in den USA. Er verließ Spenge nur kurze Zeit nach seinem jüngeren Bruder.
Unter einem ganz besonderen Zeichen stand der Besucher der australischen Wagners in Spenge im Jahr 1971. »Ich wollte wissen, ob es der richtige Schritt war wegzugehen. Dachte, vielleicht sehe ich etwas, das mich bewegt zu bleiben.« Drei Monate verbrachten Angelika und Georg Wagner gemeinsam mit ihren drei Kindern in der alten Heimat.Ê »Ich war sehr angetan von der Großfamilie, das kannte ich nicht«, erinnert sich Angelika Wagner. Doch letztendlich fiel die Entscheidung für Australien. »Dort ist das Leben freier, sind die Menschen nicht so zugeknöpft.«
Ein bisschen deutsches Heimatgefühl haben sich die beiden Wahl-Australier dennoch bewahrt. Vor allem Angelika legt Wert darauf, dass Bescherung an Heiligabend und nicht wie in Australien üblich am 1. Weihnachtsfeiertag gefeiert wird.
Und damit auch bei hochsommerlichen Temperaturen ein bisschen Adventsstimmung aufkommt, muss schon Anfang Dezember eine frisch geschlagene Tanne aufgestellt werden - »ich liebe diesen Geruch«. Ein Adventskranz und Gebäck dürfen ebenfalls nicht fehlen. Im Laufe der Jahre sind die Kontakte der sieben Wagner-Brüder enger geworden. In diesem Jahr haben sich alle wiedergesehen: Zur goldenen Hochzeit von Bruder Hermann.

Artikel vom 13.07.2006