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Schützenoberst Dr. Andreas Jolmes

Rückbesinnung auf. . .

Schützenoberst Dr. Andreas Jolmes:

Ich freue mich sehr, Sie alle, die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt im Namen der Mitglieder des Paderborner-Bürger-Schützenvereins 1831 sehr herzlich zu dem diesjährigen Schützenfest einladen zu dürfen. In der 175-jährigen Geschichte unseres Vereins ist es das 149. Schützenfest, das wir in diesem Jahr feiern dürfen.
Das diesjährige Schützenfest ist ein besonderes Fest. Wenn wir 175 Jahre nach der Gründung des Paderborner-Bürger-Schützenvereins ein großes Fest mit vielen Gästen feiern, so beruht dieses zum einen darauf, dass das Jubiläum Anlass, Verpflichtung und Chance ist, die bewegte Geschichte unseres Vereins herauszustellen. Zum anderen sollen aufrichtige Dankbarkeit und Achtung gegenüber den Vätern bekundet und zugleich Perspektiven für die Zukunft des Schützenwesens in unserer geliebten Heimatstadt aufgezeigt werden.
Als sich am 19. Mai 1831 siebzehn gestandene Paderborner im Saal der Gastwirtschaft Hoppe in der Grube trafen und beschlossen, das Schützenfest als Fest der Paderborner Bürger wieder einzuführen, geschah dieses nicht von ungefähr. Versetzen wir uns kurz in die damalige Zeit zurück. Denken wir an die Niederlage Preußens bei Jena und Auerstedt 1806. Denken wir an den Einzug Napoleons in Berlin im selben Jahr. Denken wir an das Königreich Westphalen, welches von 1807 bis 1813 bestand und zu welchem nur ein kleines westfälisches Gebiet, darunter aber das ehemalige Hochstift Paderborn, gehörte. Nach dem Abzug der Franzosen im Jahre 1813 wurde Paderborn wieder dem preußischen Staatsverband zugesprochen und 1816 Kreisstadt im Regierungsbezirk Minden und Sitz eines Oberlandesgerichts. Die Stadt war zur damaligen Zeit arm. Erst ab etwa 1820 begann die Belebung durch Gesellschaften und Vereine. In diese Zeit fiel die Gründung des PBSV. Man wollte Traditionen aufrechterhalten und gemeinsam etwas unternehmen, sodass erst einmal geplant wurde, ein Schützenfest zu feiern. Paderborn befand sich in einer Zeit des Umbruchs, in einer Zeit der Innovationen. Man besann sich gerade in dieser Zeit der Neuerungen auf alte Werte und Tugenden. Gerechtigkeit, Verantwortung und Pflichtbewusstsein, Respekt und Anstand, Mitgefühl und Solidarität, Courage, Treue und Verlässichkeit. Werte, die damals lange Zeit vorher unbeachtet blieben, ja schon fast bedeutungslos erschienen. So war es damals. Und heute?
»Sag mir, wo die Werte sind«, so heißt das neuste Buch von Siegmund Gottlieb, dass den Untertitel »Die neue deutsche Sehnsucht« hat. Ein Buch, das nur wenige Wochen nach Erscheinen die Bestsellerlisten anführt. Gottlieb schreibt über die neue deutsche Sehnsucht nach Orientierung, über die Sehnsucht der Menschen nach einer Richtschnur für ihr Handeln und über das Suchen nach Werten.
Fast zeitgleich erregt ein Buch mit dem Titel »Schluss mit lustig“ die Gemüter. Der Autor, der bekannte Fernsehmoderator Peter Hahne fordert in diesem aufrüttelnden Bestseller die Rückkehr zu stabilen Werten und stellt die These auf, dass es mit der Spaßgesellschaft vorbei sein muss.
Erinnern wir uns: Was mit den 68ern begann und sich in den 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts weiterentwickelte, gipfelte in den 90er Jahren darin, dass der moderne attraktive Mensch rundum sorglos leben wollte, dass für ihn Selbstbedienungsmentalitäten im Vordergrund standen, dass man viel erleben, viel Spaß haben wollte, dass man sich mehr mit dem Verwerten als mit Werten befasste, dass Lifestyle und Wellness neue Wertmaßstäbe zu sein schienen und nur der was galt, der auf dieser Ego- und Spaßwelle kräftig mitgeschwommen ist. Die Moral in unserem Lande schien - wie es eine große Illustrierte überschrieb - auf einen Bierdeckel zu passen.
Wir erleben zur Zeit allerdings ganz offensichtlich eine Wende. Mitnahmementalität, Spaß- und Egogesellschaft weichen der Besinnung auf die wahren Werte, auf die alten Werte und Tugenden. Wir besinnen uns wieder auf unsere Herkunft.
Unsere Herkunft gibt uns grundlegende Orientierungsmaßstäbe. Die Menschen, die vor uns gelebt haben, sind unsere Herkunft. Hieran müssen wir anknüpfen. Daraus folgt, dass sich unsere Vergangenheit, unsere Herkunft, eben die erwähnten Orientierungsmaßstäbe gibt. Dieses hat nichts mit persönlichen Lebenszielen zu tun. Dies geht weit darüber hinaus. Nicht das Individuum steht im Vordergrund, nicht die Interessen des Einzelnen sind von Bedeutung, sondern die vertikale Gemeinschaft der Generationen sowie auch die horizontale Gemeinschaft, so auch die der Schützenbrüder, stehen im Vordergrund.

Artikel vom 14.07.2006