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. . . die wahren Werte der Gesellschaft

»Jubiläumsfest mit möglichst vielen Paderbornern und Gästen feiern!«



Was suchen wir in der Gemeinschaft, was suchen wir bei den anderen? Die Antwort ist vielfältig, allerdings auch deshalb schon fast absurd, weil wir etwas suchen, das man nicht zu kaufen braucht, das man im Grunde kostenlos haben kann: Geborgenheit, Vertrautheit, Verständlichkeit, Nähe, Verwurzelung, Heimat! Alles Werte, die im Grunde nahe liegen. Niemand ist gehindert nach diesen Werten zu leben. Weshalb wird in diesen Tagen dann die Sehnsucht danach so deutlich?
Mein Vater hat in seinem Königsjahr als Schützenkönig im Paderborner-Bürger-Schützenverein 1963/64 in einer Rede vor seiner Maspernkompanie die Frage gestellt, ob uns bewusst ist, was die Menschen unter uns, die ihre Heimat verloren haben, die aus ihrer Heimat vertrieben worden sind, wohl darum geben würden, nur einmal, nur ein einziges Mal ihre Heimat wieder sehen zu dürfen. Er wollte uns damit wachrütteln, er wollte uns klar machen, wie wertvoll das ist, was wir an Sehnsüchten leben, was wir an Werten haben.
Ich wiederhole meine Frage: Weshalb wird die Sehnsucht nach alten Werten zunehmend größer? Weshalb wird der Anteil der Menschen in unserem Land - und nicht nur in unserem Land, sondern auch anderswo - zunehmend größer, der Anteil an Menschen, die grundlegende Orientierungsmaßstäbe fordern?
Ein gesellschaftlicher Umbruch hat bekanntlich immer zwei Seiten. Einerseits werden Verkrustungen im gesellschaftlichen Gefüge aufgebrochen, Traditionen und Wertvorstellungen einer Prüfung und Neugewichtung unterzogen, andererseits ergeben sich Chancen, Innovationen einzuführen und Bestehendes zu verändern.
»Nimm das Bekannte« lautet eine alte Faustregel, die wir gerne in unübersichtlichen Situationen anwenden. Es ist interessant, dass heute Neurowissenschaftler zwischen der rationalen Entscheidung oder Verstandesentscheidung und der emotionalen Intelligenz oder Gefühlsentscheidung unterscheiden. Letztere bezeichnet man auch als Entscheidung »aus dem Bauch heraus«.
Das Verstandesdenken, die ratio, hat im europäischen Kulturkreis seit dem Altertum einen hohen Stellenwert. Die in Umbruchzeiten gestellten Fragen können jedoch wegen der unübersichtlichen vielen Veränderungen rational, also mit dem Ver-stand allein, nicht immer endgültig beantwortet werden.
Nehmen wir die Arbeitslosigkeit. Wir wissen heute, dass nicht nur 4,5 Millionen Menschen - ja, man sagt nur 4,5 Millionen, was an sich schon absurd ist - arbeitslos sind, nein, wir wissen, dass es viel mehr betroffene Menschen, nämlich ca. 7 - 8 Millionen gibt. Wir wissen auch, wenn nicht selbst betroffen, so doch aus dem Verwandten-, Freundes- oder Bekanntenkreis, welche Katastrophe die Arbeitslosigkeit für die Betroffenen und ihr Umfeld darstellt. Die Liste der Beispiele lässt sich beliebig verlängern. Der Sozialstaat, das Gesundheitswesen, die Stellung der Familie, alles Probleme, die sich rational wegen ihrer Komplexität nicht endgültig wie ein gordischer Knoten lösen lassen.
Aber es ist nicht nur die Gesellschaft, die uns eine Rückbesinnung fordern lässt. Es sind auch wir selbst, die Veranlassung dazu geben. Irgendwann ist eben Schluss mit lustig.
Eine solche Rückbesinnung führt dazu, dass elementare Grundbedürfnisse im Vordergrund stehen. Was die Menschen heute wollen, ist eine Grundsicherheit und Geborgenheit. Es werden klare Aussagen und auch klare Eingeständnisse gefordert. Unsere Wertmaßstäbe und Traditionen werden helfen, unsichere Zeiten zu überstehen. Heute stehen nicht mehr Versprechungen im Vordergrund. Vielmehr wird erwartet, dass die Menschen durch ihre Wertmaßstäbe überzeugen. Dieses führt zurück zu dem, was gerade für einen Schützenverein von Bedeutung ist. Es lässt sich nämlich hieraus folgern, dass eine Rückbesinnung zu den Wurzeln erfolgt. Traditionen und Werte stehen heute im Vordergrund. Das alles ist ein Kapital, das vermehrt, erhalten oder auch aufgebraucht werden kann. Zukunft von Anfang an! So lautet das diesjährige Motto des PBSV. Dieses Motto hat dann eine Berechtigung, wenn die Vereinsmitglieder bereit sind, gemeinsam für die von den Vorvätern in der Satzung benannten Ziele einzutreten, die alten Werte zu erhalten, anzupassen, mit Inhalt zu füllen und zu leben. Nicht nur das tun, was gerade »in« und was gerade zeitgemäß ist und sich am besten darstellen oder verkaufen lässt. Nein, es muss eine Rückbesinnung auf die wahren Werte erfolgen. Wenn diese Werte bejaht werden, wenn ja gesagt wird zu den Zielen und wenn einander vertraut wird, dann lässt sich das verwirklichen, was wir fordern, sodass auch beim nächsten Jubiläum des PBSV noch gesagt werden kann: »Zukunft von Anfang an!«
Wir möchten unser Schützenfest mit möglichst vielen Paderbornern und vielen Gästen aus nah und fern feiern. Ich lade Sie, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger und Sie, liebe Gäste, alle sehr herzlich ein, mit uns Schützen das schöne und abwechslungsreiche Paderborner Schützenfest zu feiern. Wir Schützen freuen uns auf Sie.
Zu guter Letzt noch eine Bitte! Indem Sie Ihre Wohn- und Geschäftshäuser - auch wenn diese nicht an den Umzugswegen liegen - zum Schützenfest mit Fahnen schmücken, machen Sie uns eine große Freude und tragen mit dazu bei, den Charakter dieses einmaligen Festes als Volksfest für alle Menschen unserer Stadt darzustellen.
Wir freuen uns auf Sie auf dem Paderborner Schützenplatz.
Dr. Andreas Jolmes
Schützenoberst

Artikel vom 14.07.2006