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Nur kurzer Kaiser-Urlaub -
wird er jetzt UEFA-Boss?

Beckenbauer will rasch über seine Zukunft entscheiden

Berlin (dpa). Am Tag nach dem WM-Finale machte Franz Beckenbauer das, worauf er sich schon lange gefreut hatte: Er ging einfach nach Hause.

In der Kitzbüheler Bergwelt wollte der Kaiser mit seiner jungen Familie ausspannen. Lange wird er die Ruhe aber nicht genießen können, denn schon heute werden die Weichen für die berufliche Zukunft des obersten WM-Machers als Sportfunktionär auf internationalem Parkett gestellt. In Berlin tagt die Exekutive der Europäischen Fußball-Union (UEFA), und deren Präsident Lennart Johansson hat nach langem Zögern eine Entscheidung angekündigt, ob er im Januar 2007 zur Wiederwahl antreten wird.
»Das ist eine Aufgabe, die mich reizen würde, aber nur wenn Johansson nicht mehr will«, betonte Beckenbauer seine offenbar wieder erwachten Ambitionen auf den kontinentalen Fußball-Chefsessel. Johansson ließ bei der WM wieder erkennen, dass er sich künftig doch eher dem Angeln in seiner schwedischen Heimat widmen wolle, und zeigte sich auch mit seinem heimlichen Wunsch-Nachfolger Beckenbauer versöhnt. Dessen Fehlen beim UEFA-Kongress im März in Budapest hatte zu kurzzeitigen Verstimmungen geführt, die spätestens während der WM ausgeräumt wurden.
Auch ein Verbleib Johanssons im Amt würde Beckenbauer nicht hart treffen, denn an Job-Offerten mangelt es dem Vize-Präsidenten des Deutschen Fußball-Bundes und Präsidenten des FC Bayern München, TV-Experten sowie durch Verträge an zahlreiche Werbepartner gebundenen Multifunktionär bekanntlich nicht. Auch der Fußball-Weltverband FIFA hält dem »Kaiser« nicht erst seit der unter seiner Führung perfekt organisierten WM fast alle Türen offen.
Dessen Präsident Joseph Blatter sprach ihm zwar - wohl auch in einem Akt des Selbstschutzes - die Fähigkeiten für seinen eigenen Führungsposten ab, will den bajuwarischen Kosmopolit und »Kollegen, Kameraden und Komplizen« aber nur zu gerne in seine »Regierung« holen. »Beckenbauer in der FIFA-Exekutive wäre ein Gewinn, denn wir brauchen dort Fußballer«, sagte Blatter. Beckenbauer selbst äußert sich vorerst überhaupt nicht zu seinen Zukunftsplänen. »Irgendwas wird schon passieren«, sagte er in einer leichten Abwandlung seines Ausspruchs »Schaun mer mal.«
Auch in seiner kurzen Sommerpause wird es Beckenbauer nach seinem WM-Mammutprogramm wohl kaum langweilig werden. Morgen steht in Frankfurt die Abschiedsparty für die 600 Mitarbeiter des WM-Organisationskomitees an, von denen die meisten wie ihr Chef nach neuen Aufgaben Ausschau halten müssen. Und auch der Golfschläger wird wieder geschwungen: Beim traditionellen Charity-Turnier zu Gunsten der seinen Namen tragenden Stiftung. Nur Zeit für eine klassische Hochzeitsreise wird es für den in einem Überraschungscoup mitten im WM-Stress Vermählten und seine Frau Heidi nicht geben. Die Flitterwochen wurden ja bekanntlich in den WM-Stadien verbracht.

Artikel vom 11.07.2006