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Warnstreik im Schongang

40 Ärzte legen am Städtischen Klinikum die Arbeit nieder

Von Michael Delker
Gütersloh (WB). Krankenhaus-Ärzte sind es nicht gewohnt, auf die Straße zu gehen, um für einen eigenen Tarifvertrag oder weniger Überstunden zu kämpfen. Das war gestern Nachmittag beim dreistündigen Warnstreik am Städtischen Klinikum deutlich zu spüren.

Wenn die IG Metall zum Warnstreik aufruft, wie im Frühjahr bei Miele, geht es zünftiger zu. Am Mikrofon schimpfen zwei bis drei Gewerkschafter über die Bosse, und die Arbeitnehmer machen ihrem Unmut lautstark mit Trillerpfeifen und Buh-Rufen Luft. Ärzte scheinen moderatere Töne zu bevorzugen. Von 94 Assistenz- und Oberärzten am Städtischen Klinikum hatten sich um 14 Uhr rund 40 am Haupteingang versammelt, um den Forderungen des Marburger Bundes Nachdruck zu verleihen. Plakate mit markigen Sprüchen (»Stoppt die Ärzteflucht«/»Gesunder Patient - Kranker Arzt«) durften zwar nicht fehlen, doch ansonsten glich die Veranstaltung einem munteren Treffen im Kollegenkreis. Beim »Marsch« durch das Krankenhaus wurde improvisiert. Ein Weg war vorher nicht festgelegt worden.
Mit Kritik am eigenen Arbeitgeber hielten sich die Mediziner zurück. »Hier geht es nicht um das Städtische Klinikum, sondern allgemein um eine gerechte Behandlung der Ärzte«, erklärte Sprecherin Dr. Ute Hegerfeld. Die Hauptforderung des Marburger Bundes beinhaltet einen eigenen Tarifvertrag für die Ärzte an kommunalen Krankenhäusern sowie den Abbau bzw. die bessere Vergütung von Überstunden. Diese werden am Städtischen Klinikum seit Dezember dokumentiert. Wie viele sich bereits angehäuft haben, vermochte Dr. Hegerfeld wegen eines komplizierten Rechensystems gestern nicht zu sagen. Um interne Abläufe zu diskutieren, hatten die Ärzte am Nachmittag dennoch Geschäftsführer Ingo Engelmeyer zum Gespräch gebeten.
Patienten und Besucher zeigten Verständnis für den Warnstreik der Mediziner. Allerdings hielt sich das Informationsbedürfnis in Grenzen. Nur vereinzelt griffen die Krankenhaus-Besucher zum ausgelegten Material. Die für den Tag angesetzten Operationen waren wie geplant bis 14 Uhr durchgeführt worden. Zur Behandlung von Notfällen standen Ärzte bereit.
Obwohl der Warnstreik gestern noch etwas »gemütlich« ausfiel, stand ein Großteil der Mediziner dahinter. Bei einer internen Abstimmung hatten 86 Prozent für die Protestaktion gestimmt. Sollten sich die kommunalen Arbeitgeber mit dem Marburger Bund nicht einigen - Verhandlungen sind für heute angesetzt - dann könnte es ungemütlicher werden. Daran lässt Dr. Ute Hegerfeld keinen Zweifel. »Die Stimmung ist nicht aggressiv, aber es muss sich etwas ändern. Wir stehen für weitere Aktionen bereit«, kündigt die Ärztesprecherin des Städtischen Klinikums an.

Artikel vom 07.07.2006